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Einfach hin und weg

Einfach hin und weg

Titel: Einfach hin und weg
Autoren: Gerhard Jansen
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Man ist ständig unter Aufsicht und selbst der kleinste Annäherungsversuch würde von den anderen Zimmergenossen argwöhnisch beäugt. Außerdem sieht der Heilige Jakob alles!
    Heiratswütige Südamerikanerinnen, wie von einem berühmten Landsmann beschrieben, habe ich auf meiner ganzen Reise nicht angetroffen. Nicht eine einzige! Die meisten Pilger lehnten eine Bindung oder mehr rundweg ab. Jeder wollte den Kopf frei haben und wie mir eine nette junge Dame sagte: „Ich bin doch nicht blöd und halse mir auf dem Weg noch überflüssige Probleme auf, von denen ich zu Hause schon mehr als genug habe!“
    Der Besuch in der Stadt führt mich natürlich geradewegs in die Kathedrale, in der in einem Käfig hoch über den Köpfen der Gläubigen ein Hahn und ein Huhn gehalten werden.
     
    Die Legende erzählt von einem Sohn, der mit seinen Eltern auf Pilgerreise nach Santiago war und in einem Wirtshaus in Santo Domingo übernachtete. Dabei verliebte sich die Tochter des Wirtes in den besagten Sohn, aber der wollte von ihr nichts wissen. Als nun die Familie am nächsten Tag weiterziehen wollte, versteckte die böse Tochter einen silbernen Becher im Gepäck des jungen Mannes, rief die Polizei und zeigte ihn wegen Diebstahls an. Der Becher wurde gefunden und der Jüngling zum Tode durch den Strang verurteilt.
    Das Urteil wurde vollstreckt. Aber als die Eltern den Jungen nach ein paar Stunden vom Baum nehmen wollten, sahen sie, dass ihr Sohn noch lebte. Santiago, der Heilige Jakobus, hatte sich unter ihn gestellt und stützte seine Beine. Die Eltern liefen zum Richter, berichteten vom Überleben des Sohnes und dass damit wohl seine Unschuld bewiesen sei. Der Richter glaubte es nicht und meinte: „Euer Sohn ist so lebendig wie die beiden Hühnchen auf meinem Teller, die ich gerade verspeise.“ Darauf wurden die beiden Hühnchen lebendig und flogen davon.
    Seitdem werden in der Kathedrale Hühner in einem Käfig gehalten. Um Tierfreunden alle Argumente zu nehmen, werden sie wöchentlich ausgetauscht. Ein prächtiger weißer Hahn und eine weiße Henne.
    Alle erzählen von dem Sohn und den Hühnern. Von der hinterhältigen Weiblichkeit kein Ton, das wird einfach totgeschwiegen und niemand weiß, was mit dem Gör passiert ist.
    Ich schau mir also die Vögel an, aber ein Krähen ist nicht zu vernehmen. Pech für mich, denn wenn der Hahn auch noch kräht, bedeutet das schier endloses Glück.
    Ich will ihn austricksen und es später noch einmal versuchen.
    In dem alten Pilgerhaus am Markt ist das Parador Hotel untergebracht. Dem Gebäude nach und auch innen, war es damals schon eine Herberge für Luxuspilger. Hohe, kuppelförmige Räume, große Säulenhalle innen, vom Feinsten.
    Daneben steht der 70 m hohe Glockenturm der Kathedrale, der höchste Kirchturm in Rioja. Es ist für den nicht in der Kirche integrierten Turm der dritte Bauversuch aus dem 18. Jahrhundert. Der erste Turm brannte ab, beim zweiten hielt das Erdreich nicht stand und der Bau stürzte aufgrund der miesen Statik ein.
    Neben Pamplona ist Santo Domingo für mich bisher die Stadt mit der schönsten Atmosphäre.
    Beim zweiten Versuch in der Kathedrale hat es sich der Hahn wohl doch anders überlegt. Er kräht dreimal innerhalb von wenigen Minuten. Mein Herz macht einen Riesensatz. Wo soll ich mit all dem Glück hin? Dreimal gekräht und dreimal Glück!?
    Nur nicht zu viel des Guten. So ganz nebenbei: Ich habe heute im Vorbeigehen (!) am Wegesrand ein 5 blättriges, wunderschönes, gleichmäßig gewachsenes Kleeblatt gefunden.
     

30.05.2007 Santo Domingo – Belorado - Villafranca
     
    Morgens um 5 Uhr ist es meistens vorbei mit der Ruhe. Die ersten steigen aus den Betten, gehen in den Waschraum. Das Rascheln mit den Plastiktüten beginnt ein paar Minuten später. Möchte wissen, was die Menschen früher ohne Plastikbeutel gemacht haben. Alles wird verstaut und in die Rucksäcke verpackt. Die Arbeit wird mit Taschenlampen verrichtet, die „Profis“ besitzen eine Kopflampe.
    Ich stehe frühestens auf, wenn der Tag beginnt und ein wenig Licht durch die Fenster kommt. Das ist so gegen 6 Uhr, manchmal, wenn der Geräuschpegel es erlaubt, auch später.
    Laut Herbergsregeln soll bis 6 Uhr absolute Nachtruhe herrschen, aber die wenigsten halten sich daran. Warum auch immer. Man verpasst doch nichts!!
    Ab diesem Zeitpunkt herrscht das absolute Chaos. Die Betten stehen oft doppelstöckig eng aneinander. Wer oben schläft, hat Mühe, aus der Koje zu kommen und muss erst
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