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Eines Greifen Ei

Eines Greifen Ei

Titel: Eines Greifen Ei
Autoren: Michael Swanwick
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gehen. Er fand ein einziges Nest von Irren, das aus zerfetzten Vakuumanzügen bestand, doch nach Rücksprache mit dem KMP kam er zu dem Schluß, daß dort schon seit Tagen niemand mehr hauste. Es gab keine Spur von Sally Chang.
    Wenn es schon vor seiner sonderbaren Gerichtsverhandlung eine Qual gewesen war, durch die Sperrzonen zu gehen, so war es jetzt noch viel schlimmer. Ekatarinas Feinde hatten ihn mit Angst infiziert. Der Verstand sagte ihm, daß sie ihm nicht auflauerten, daß er nichts zu befürchten hatte, wenn er nicht erneut ihr Mißfallen erregte. Doch sein Hinterkopf wollte einfach nicht darauf hören.
    Die Zeit kroch dahin. Als er schließlich am Ende seiner Schicht ins Tageslicht hinaustrat, fühlte er sich nach den vielen Stunden der Abgeschiedenheit dumpf im Kopf und der Realität entrückt. Zunächst fiel ihm nichts Ungewöhnliches auf. Dann war die Sprechanlage seines Anzugs auf einmal voller Stimmen, und Leute hasteten in alle Richtungen. Es lag ein glückliches Summen in der Luft. Jemand sang.
    Er zupfte an einem vorbeieilenden Anzug und fragte: »Was ist denn los?«
    »Haben Sie es nicht gehört? Der Krieg ist vorbei. Man hat Frieden geschlossen. Und es nähert sich ein Schiff.«

    DIE GENFER SEE HATTE WÄHREND des langen Flugs zum Mond die meiste Zeit über geschwiegen und auf TV-Übertragungen verzichtet, aus Angst vor Langstrecken-Strahlungswaffen. Nach dem Friedensschluß jedoch richteten sie eine Direktverbindung nach Bootstrap ein.
    Ezumis Leute ließen von den Irren ein gewaltiges Baumwollrechteck zusammennähen und einige Seilranken abhacken, damit sie es an der Schattenseite des Kraters aufhängen konnten. Nachdem die Lichtstrahler ausgeschaltet waren, wurde das Videobild projiziert. Schweizer Astronauten stolperten vor der Kamera umher und grinsten, ganz Jeans und rote Cowboy-Hüte. Sie sprachen darüber, wie sie den Jäger-Sucher-Raketen entkommen waren, wobei ihre spröden jungen Stimmen sich gegenseitig übertönten.
    Die höchsten Offiziere waren unter dem Baumwollrechteck versammelt. Gunther erkannte ihre Anzüge. Ekatarinas Stimme schallte laut aus neu aufgestellten Lautsprechern. »Wann landen Sie? Wir müssen sichergehen, daß die Fläche des Raumhafens frei ist. Wie viele Stunden noch?«
    Eine blonde Frau hielt fünf Finger hoch und sagte: »Fünfundvierzig.«
    »Nein, dreiundvierzig.«
    »Ganz falsch!«
    » Fast fünfundfünfzig.«
    Wieder schnitt Ekatarinas Stimme durch den Tumult. »Wie ist die Situation in den Orbitstationen? Wir haben gehört, sie sind zerstört?«
    »Ja, zerstört.«
    »Sehr schlimm, sehr schlimm. Es wird Jahre dauern, sie zu ...«
    »Die meisten Menschen sind jedoch ...«
    »Wir haben sechs Orbitwarnungen erhalten; viele flüchteten - es gab eine riesige Evakuierung.«
    »Etliche sind jedoch gestorben. Es war sehr schlimm.«
    Direkt unterhalb der Offiziere hatte eine Anzuggestalt mehrere Irre beim Aufbau einer Kameraplattform angeleitet. Jetzt winkte sie mit weit ausholenden Bewegungen, und die Irren stolperten davon. In der Genfer See rief jemand etwas, und mehrere Köpfe drehten sich zu einem Nebenbildschirm auf einem Monitor um. Die Anzuggestalt schwenkte die Kamera und bot ihnen einen langsamen Panoramaüberblick.
    Einer der Schweizer sagte: »Wie ist die Lage hier? Ich sehe, daß einige von Ihnen Anzüge tragen und die anderen nicht. Was hat es damit auf sich?«
    Ekatarina holte tief Luft. »Es hat hier einige Veränderungen gegeben.«

    BEI ANKUNFT DER SCHWEIZER wurde im Zentrum ein sagenhaftes Fest gefeiert. Es wurden pfiffige Tauschaktionen mit Schlafschichten durchgeführt, und abgesehen von einer Notbesetzung, die die Irren beaufsichtigte, strömten alle hinaus, um das Dutzend Neuankömmlinge auf dem Mond zu begrüßen. Sie tanzten zu Waschbrettrhythmen und tranken vakuumdestillierten Wodka. Jeder gab Geschichten zum besten, verbreitete Gerüchte und Meinungen über die Wahrscheinlichkeit, daß der Frieden nicht dauerhaft sein könnte.
    Gunther machte sich davon, als die Party in vollem Gange war. Die Schweizer bedrückten ihn. Sie erschienen ihm alle so jung und frisch und eifrig. Er fühlte sich in ihrer Gegenwart niedergeschmettert und verspürte einen Hang zum Zynismus. Am liebsten hätte er sie bei den Schultern gepackt und wachgerüttelt.
    Er wanderte durch die geschlossenen Labors. Wo das Computerprojekt zur Virenerforschung durchgeführt worden war, sah er Ekatarina und den weiblichen Kapitän der Genfer See, die über einem Stapel von
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