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Eines Abends in Paris

Eines Abends in Paris

Titel: Eines Abends in Paris
Autoren: Nicolas Barreau
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Erkundungsgängen in die Rue de Bourgogne über den Weg laufen können. Sie arbeitet nämlich in einem kleinen Antiquitätenladen in der Rue de Grenelle. Er heißt À la recherche du temps perdu – sind Sie da vielleicht schon mal vorbeigekommen?«
    Ich steckte den Zettel mit einem Lächeln ein.
    Man sagt, dass Paris bei der Verwirklichung romantischer Träume stets eine gute Komplizin ist. Einem ersten Impuls folgend wollte ich noch in derselben Sekunde zu Mélanie fahren, an ihrer Tür klingeln und sie überraschen. Ich stand schon auf der Place Vendôme und winkte ein Taxi herbei, als ich plötzlich unsicher wurde.
    War es wirklich eine gute Idee, Mélanie mitten in der Nacht zu überfallen? Wer weiß, ob sie mir überhaupt die Tür öffnete? Vielleicht würde sie mir nicht einmal glauben, wenn ich um diese Uhrzeit einfach so bei ihr auftauchte und in die Gegensprechanlage rief, dass ich mit ihrer Schwester nichts zu tun hatte. Immerhin hatte sie mich ja noch im Georges mit Solène gesehen.
    Ich biss mir auf den Fingerknöchel und überlegte.
    Jetzt nur nicht die Nerven verlieren, Alain, beschwor ich mich selbst. Keine kopflosen Aktionen. Ich hatte Mélanies Adresse, das war das Wichtigste. Alle weiteren Schritte wollten wohl überlegt sein.
    Vielleicht war es besser, sie am nächsten Tag mit einem großen Strauß Blumen und besser vorbereitet in diesem Antiquitätenladen aufzusuchen. Obwohl es nun auch keine Rolle mehr spielte, fiel mir in diesem Moment der Name des Ladenbesitzers wieder ein. Er hieß Papin. Papin und nicht Lapin, wie ich damals gedacht hatte.
    Ich lachte hysterisch auf.
    Der Taxifahrer hatte sein Fenster heruntergekurbelt und sah mich fragend an. »Alors, Monsieur – was ist jetzt? Steigen Sie ein?«
    »Ich hab’s mir anders überlegt«, rief ich. Was ich brauchte war kein Taxi, sondern der Rat einer Verbündeten.
    Erst als ich Solène anrufen wollte, bemerkte ich, dass mein Mobiltelefon gar nicht mehr in meiner Jackentasche steckte. Ich hatte es wohl in dem Café liegen lassen. Das war ärgerlich, aber keine Katastrophe. Ich schaute an den Fenstern des Grand Hotels hoch. Es würde auch ohne Telefon gehen. Glücklicherweise war ich einmal am richtigen Ort.
    »Alain! Du schon wieder!«, rief Solène überrascht, als sich die Tür zur Imperial-Suite von innen öffnete. »Nicht dass diese nächtlichen Besuche noch zur schlechten Gewohnheit werden!«
    Sie machte lächelnd einen Schritt zur Seite, und ich trat ein.
    »Du wirst es nicht glauben«, sagte ich. »Ich weiß jetzt, wo Mélanie wohnt.«

32
    Der folgende Tag wurde der längste Tag meines Lebens. Doch in meiner Erinnerung beginnt die bittersüße Qual des Wartens und meine Unruhe, der ein letzter Rest von Zweifel innewohnte, bereits zu verblassen.
    So sind die Menschen. Wenn etwas ein gutes Ende nimmt, ist alles andere vergessen. Ich bin da keine Ausnahme.
    Wenn mich also heute jemand nach diesem denkwürdigen dritten Donnerstag im Mai fragen würde, an dem die Sonne erst am späten Nachmittag durch die Wolken brach und Paris in ein nahezu unwirkliches Licht tauchte, so würde ich sicherlich antworten, dass es der glücklichste Tag meines Lebens war. Auf den, ich will es nicht verschweigen, die glücklichste Nacht meines Lebens folgte.
    Solène hatte in allem Recht gehabt, und ich war froh, ihrem Rat gefolgt zu sein, auch wenn mir dies zunächst schwerfiel. Schließlich war ich es doch gewesen, der die Adresse von Mélanie herausgefunden hatte. Dennoch sollte nicht ich es sein, der am nächsten Tag kurz vor der Mittagspause in den kleinen Antiquitätenladen in der Rue de Grenelle ging.
    Solène hatte mich inständig gebeten, ihr den Vortritt zu lassen.
    »Erst wenn die alten Geschichten aus dem Weg geräumt sind, kann man mit etwas Neuen beginnen«, hatte sie gesagt, als wir auf dem Sofa ihrer Suite saßen und uns berieten wie zwei Verschwörer.
    Zunächst also sollte Solène die Möglichkeit erhalten, sich mit ihrer Schwester auszusprechen. Sie würde ihr alles erklären, und anschließend würde ich ins Spiel kommen.
    Wir hatten ausgemacht, dass Solène mich anrufen sollte, wenn sie mit ihrer Schwester geredet hatte. Gerade noch rechtzeitig war mir eingefallen, dass ich mein Mobiltelefon nicht mehr hatte, und so gab ich Solène meine Festnetznummer.
    Früh am Morgen hatte ich noch einmal das Haus verlassen, um Blumen für Mélanie zu kaufen. Mit klopfendem Herzen wählte ich zwanzig duftende zartrosafarbene Teerosen aus und trug sie
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