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Eines Abends in Paris

Eines Abends in Paris

Titel: Eines Abends in Paris
Autoren: Nicolas Barreau
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Obelisken an mir vorbeifliegen, bevor der Fahrer mit durchgedrückter Hupe über eine Ampel fuhr, die gerade auf Rot umsprang.
    Ein Fußgänger sprang erschreckt zur Seite und ich sah für einen Moment sein wütendes Gesicht am Wagenfenster auftauchen und wieder verschwinden.
    »Alte Menschen denken, Straße gehört ihnen«, erklärte mein Chauffeur unbeeindruckt. »Wir noch fast hatten Grün.« Er drehte sich bei gleichbleibender Geschwindigkeit wieder zu mir um, und der Wagen machte eine gefährliche Schlingerbewegung. »Bei uns zu Hause gibt’s Sprichwort, das sagt: Alte Mann sollen in Hütte bleiben, sonst wird gefressen von Löwe.«
    »Bei uns sagt man, man soll immer in die Richtung schauen, in die man fährt«, entgegnete ich angsterfüllt.
    »Ah. Haha. Du guter Mann. Das verflixt lustig.« Er lachte schallend, als hätte ich einen Witz gemacht, aber immerhin sah er jetzt wieder auf die Fahrbahn.
    Dann ging es auch schon weiter, die mehrspurige Rue Royale entlang, auf der die Autos sich drängten. Schließlich bogen wir in die etwas weniger befahrene Rue Saint Honoré ein. Ich seufzte erleichtert und ließ mich zurücksinken.
    Linda Leblanc, eine der wenigen, die mir Mélanies derzeitigen Aufenthaltsort mit Sicherheit verraten konnten, arbeitete in der Bar eines alten Grand Hotels in Paris. Und im Gegensatz zu dem Namen Fontaine gab es davon in Paris eine sehr überschaubare Anzahl.
    Natürlich konnte es auch das Meurice, das Fouquet’s oder das Plaza Athénée sein, aber so wie die Dinge standen, konnte ich mein Glück zunächst auch ebenso gut im Ritz versuchen. Die Hemingway-Bar zumindest kannte ich ja schon.
    Wenige Augenblicke später hielt mein Taxi an der Place Vendôme.
    Der Fahrer warf einen Blick auf die Uhr und nickte zufrieden.
    »War gut schnell, was?«
    Ich gab ihm das großzügigste Trinkgeld meines Lebens.
    In der Hemingway-Bar war um diese Uhrzeit noch nicht viel los. Ich blieb einen Moment am Eingang stehen und sah mich suchend um. Hinter der Bar stand der Keeper und schüttelte mit Inbrunst seinen Shaker, bevor er den rosafarbenen Inhalt in ein Cocktailglas goss und den Rand mit einem Fruchtspieß verzierte.
    An der Bar lehnten zwei Bedienungen. Eine von ihnen kam mit federnden Schritten auf mich zu, als ich mich jetzt unter einer Photographie von Hemingway niederließ, die ihn in seinem Haus auf Kuba an der Schreibmaschine zeigte.
    Ich erkannte sie sofort wieder. Es war die junge Frau mit dem dunklen Haarknoten, von der Allan gesagt hatte, sie gehe aufrecht wie eine Balletttänzerin.
    Sie schenkte mir ein professionelles Lächeln. »Bonsoir, Monsieur. Was darf es sein?«
    Ich beugte mich vor, um ihr Namensschild zu entziffern.
    Melinda Leblanc. Linda. Bingo!
    Danke, Melinda, hörte ich Allan Woods Stimme, und in meinem Kopf fing es an zu summen.
    »Monsieur?« Melinda sah mich fragend an. »Was darf ich Ihnen bringen?«
    Ich beugte mich über den Tisch, stützte mein Kinn auf beide Hände und warf ihr von unten herauf einen langen Blick zu.
    »Wie wär’s mit einer Adresse?«, sagte ich.

31
    Nachdem ich mich der überraschten Melinda Leblanc als Alain Bonnard vorgestellt hatte, schwand ihr Lächeln.
    »Ach«, sagte sie. »Sie sind das!« Ihre Stimme klang alles andere als begeistert.
    »Ja«, sagte ich irritiert. »Ich bin das. Sie sind doch die Freundin von Mélanie Fontaine, oder?«
    Sie nickte unmerklich.
    »Gott sei Dank«, sagte ich erleichtert. »Hören Sie, Sie müssen mir Mélanies Adresse geben. Ich suche sie schon seit Wochen.«
    Linda musterte mich mit kühlem Blick. »Ich muss gar nichts. Ich glaube nämlich nicht, dass Mélanie gesteigerten Wert darauf legt, Sie wiederzusehen – nach allem, was Sie ihr angetan haben.«
    »Doch!«, zischte ich. »Ich meine, nein … Herrgott noch mal, ich weiß schon, worauf Sie hinauswollen, aber das ist alles nur ein schreckliches Missverständnis. Ich habe gar nichts gemacht. Bitte, helfen Sie mir!«
    »So, so«, entgegnete sie streng, »ein Missverständnis. Das klang in Mélanies Version allerdings etwas anders.«
    »Dann hören Sie sich meine Version an«, drängte ich. »Bitte! Geben Sie mir zehn Minuten, und ich erkläre Ihnen alles. Ich muss einfach mit Mélanie sprechen. Ich … du meine Güte, verstehen Sie das denn nicht? Ich liebe Ihre Freundin.«
    Die Liebe ist immer ein gutes Argument. Linda sah mich ein paar Sekunden eindringlich an und schien zu überlegen, ob sie mir ihre Gunst zuteilwerden lassen sollte.
    Dann ging sie an
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