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Eine Welt für Menschen

Eine Welt für Menschen

Titel: Eine Welt für Menschen
Autoren: Kurt Mahr
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mehr aus. Er brauchte Schlaf.
    Verdrossen trottete er den schmalen Korridor entlang. Er öffnete die Tür seiner Kabine und wartete darauf, daß die Beleuchtung sich selbsttätig einschaltete.
    Geblendet von unerträglich hellem Glanz, schloß er die Augen. Verwirrung umfaßte seinen müden Verstand; denn der optische Eindruck besaß wenig Ähnlichkeit mit dem, was er zu sehen erwartete: einen primitiven, fest im Boden verankerten Tisch, zwei Sessel, eine Koje, sonstige Utensilien …
    Vorsichtig öffnete er das rechte Lid. Er blickte in eine sonnenbeschienene Landschaft. Die Luft war warm und erfüllt von Düften, wie man sie an Bord eines Raumschiffs noch nie gerochen hatte. Er stand auf einem schmalen Pfad, zu dessen beiden Seiten blütenbeladene Büsche wucherten. Er hörte das Gezwitscher von Vögeln, das Summen zahlloser Insekten.
    Die Müdigkeit war verflogen. Der Verstand nahm die infolge Erschöpfung eingestellte Tätigkeit wieder auf. Die Situation, in der er sich befand, war unmöglich. Er träumte. Es gab keine andere Erklärung.
    Er wandte sich um. Die Wand, die Tür, der Korridor – sie waren allesamt verschwunden. Statt ihrer erblickte er die rückwärtige Fortsetzung des Pfades, mehr Büsche, mehr Blüten – und einen kleinen Teich, auf dessen Oberfläche der sanfte Wind Kräuselwellen vor sich hertrieb. Tatsächlich: Er konnte den Wind spüren! Vor seinen Augen schoß aus einem der Büsche ein unbeschreiblich bunter Vogel hervor und flatterte mit hastigen Flügelschlägen davon. Dabei gab er ein lautes, schrilles Gekecker von sich.
    Dann hörte er die Stimme. Sie sprach eine fremde Sprache, und dennoch verstand er jedes Wort.
    »Komm her, mein Freund. Fürchte dich nicht.«
    Ein Klang so zart, als wolle er sein Herz schmelzen. Das Blut pochte rascher in den Adern, der Duft der Blüten war noch um eine Nuance süßer. Ashley Bannister setzte sich in Bewegung. Er schritt auf den Rand des Teiches zu, und als sein Blickfeld sich weitete, nachdem er die schmale Gasse der blütenbedeckten Büsche hinter sich gelassen hatte, sah er sie.
     
    Ein Wesen von atemberaubenderer Schönheit war ihm nie vor Augen gekommen. Sie war humanoid und zugleich von exotischer Fremdartigkeit – und unverkennbar weiblich. Sie hatte einen ungewöhnlich langen, schlanken Hals, und die Form ihres Kopfes erinnerte Ashley Bannister an die Büste der ägyptischen Königin Nofretete, die er auf vielen Abbildungen gesehen hatte. Zum Bild der Ägypterin paßten auch die ungewöhnlich großen Augen, aus denen ihm ein warmer, einladender Glanz entgegenstrahlte.
    Sie trug ein einfaches, loses Gewand aus seidig glänzendem Material, das stellenweise und jeweils nur für kurze Zeit durchsichtig wurde, wenn sie sich bewegte. Es war ein Anblick, der Ashley den Atem verschlug.
    »Wer … bist du?« stotterte er. »Und wo bin ich?«
    Er lauschte hinter den Worten drein, die aus seinem Mund gekommen waren. Auch sie gehörten einer fremden Sprache an – einer, die er nie zuvor gehört hatte und dennoch in diesem Augenblick beherrschte, als sei er mit ihr aufgewachsen.
    Die Fremde lächelte ihn an.
    »Ich bin Tajsa – und du bist bei mir. Willst du noch mehr wissen?«
    Seltsam – der Verstand begehrte nicht auf. Ashley Bannister war bei ihr. Mehr brauchte er nicht zu wissen.
    Sie saß auf einer seltsam geformten Bank unmittelbar am Ufer des Teichs. Sie wies auf den leeren Platz neben sich. Er trat zögernd hinzu und setzte sich. Ein Busch wuchs neben der Bank und ließ seine blütenbeladenen Zweige hängen. Es waren kleine, grellviolette Blüten, ähnlich wie Bougainvilleen, aber von eigentümlich kelchartiger Form. Tajsa zog einen Zweig zu sich heran, brach eine Blüte und reichte sie Ashley.
    »Zum Zeichen unserer Freundschaft«, sagte sie dazu. »Du bist mein Freund, nicht wahr?«
    »Ich bin dein Freund«, sagte Ashley. Er hätte gern mehr gesagt, aber er war so verwirrt, daß ihm die Worte nicht einfielen, mit denen er seine Empfindungen hätte ausdrücken können. Lahm fügte er hinzu: »Schön hast du es hier.«
    »So ist es überall auf Qahir«, sagte Tajsa. »Du kommst nach Qahir, versprichst du mir das?«
    Wie hätte er es ihr versprechen können? Was war Qahir? Wo sollte er es suchen? Und doch hörte er sich sagen:
    »Ich verspreche es.«
    Er sah in den blauen Himmel hinauf. Eine kleine, rosarote Wolke zog durch das Firmament. Sie wirkte unnatürlich, und ihre rasche Bewegung entsprach keineswegs dem lauen Wiegen des Windes, der
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