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Eine Welt für Menschen

Eine Welt für Menschen

Titel: Eine Welt für Menschen
Autoren: Kurt Mahr
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lebenslustig und ganz und gar nicht gewillt, ihr Dasein von Fragen der Raumfahrt, der Sicherheit der Mannschaft und dem Schicksal der Expedition beherrschen zu lassen. Sie hatten aneinander vorbeigeredet, und jeder war mehr und mehr in den Kokon seiner eigenen Welt verstrickt worden – bis sie eines Tages erkannten, daß sie nichts mehr miteinander gemeinsam hatten.
    Birte hatte, wie es ihrer Natur entsprach, den Zusammenbruch der Ehe leichter überwunden als Ashley. Sie war aus ihrem Quartier in der Nähe der Zentrale hinab zum Broadway gezogen. Ashley hatte für mehrere Wochen seine Funktionsfähigkeit verloren. Geraume Zeit bestanden ernsthafte psychiatrische Bedenken, ob er seine geistige Gesundheit jemals in vollem Umfang zurückgewinnen werde.
    Er hatte es überstanden. Drei Monate nach der Trennung hatte er Birte zum ersten Mal aufgesucht. Sie waren Freunde geblieben. Ihr galten seine Besuche, wenn er zum Broadway »hinunter« kletterte.
    Er fand sie in ihrem Appartement im dritten Stock eines jener Pseudo-Gebäude, die den Broadway säumten – ein wenig betrunken, wie üblich. Sie begrüßte ihn überschwenglich, wie einen guten Freund, den sie seit Jahren nicht mehr gesehen hatte.
    »So, wie geht’s droben in der Zentrale?« sagte Birte schließlich, nachdem sie es sich in dem kleinen Wohnzimmer bequem gemacht hatten.
    »Belemmert«, antwortete er. »Du weißt, daß wir nur noch knapp zwei Einheiten von der Erde entfernt sind?«
    Birte nickte. »Es hat sich herumgesprochen.« Es waren Bemerkungen wie diese, die ihn an den Rand seiner Beherrschung brachten. Zehn Jahre waren sie unterwegs! Über sechs Millionen Lichtjahre hatten sie zurückgelegt!
    Er zwang sich zur Ruhe.
    »Terra ist so tot wie ein Stück Stein«, sagte er. »Nichts rührt sich.«
    »Das hatten wir erwartet, nicht wahr? Nach sechs Millionen Jahren kannst du nicht damit rechnen, daß die Art ›Homo sapiens‹ noch am Leben ist.«
    »Ohne daß jemand ihr Erbe anträte?«
    Birte zuckte mit den Schultern.
    »Kommt darauf an, ob jemand da war, der die Fähigkeit dazu besaß. Was erwartest du? Intelligente Katzen, Hunde, Pferde?«
    »Ich weiß es nicht«, bekannte er und barg das Gesicht in den Händen. »Es kann doch nicht einfach alles … vorüber sein?«
    Sie ließ sich Zeit mit der Antwort. Sie stand auf und goß sich ein neues Glas ein.
    »Ich erinnere mich, daß uns vor dem Start eingebleut wurde«, sagte sie schließlich, »wir hätten bei der Rückkehr eine menschenleere Erde zu erwarten. Warum soll uns das überraschen? Warum macht es dich traurig?«
    Ashley Bannister wußte die Antwort nicht.
    »Im übrigen«, fuhr Birte fort, »ist das Ganze nur eine vorübergehende Erscheinung, nicht wahr? Wir sind darauf konditioniert, die Menschheit wieder aufzubauen. Wir steigen aus, bauen Häuser, reproduzieren eine neue Menschheit.«
    Er nahm das Gesicht aus den Händen.
    »Ich wollte, du brächtest der Sache ein wenig mehr Respekt entgegen«, sagte er durchaus ernst.
    Birte lachte schrill auf.
    »Respekt?« rief sie. »Laß dich nicht auslachen. Seit Wochen ist hier am Broadway von nichts anderem mehr die Rede, als wie wir die Pillen in den Abfall werfen und auf Deubel komm raus …«
    Seine Handbewegung brachte sie zum Schweigen.
    »Die Broadwayaner machen also mit?« fragte er.
    »Bei der Gründung der neuen Menschheit? Na klar. Das Schiff platzte jetzt schon aus allen Fugen, wenn ihr uns nicht ständig diese Medikamente unter den Proviant mischtet.«
    Vier Stunden später war Ashley Bannister wieder auf dem Weg zur Zentrale. Die Drinks, zu denen ihn Birte schließlich doch überredet hatte, erfüllten ihn mit Wärme und ließen keine echte Sorge aufkommen. Aber tief unten, an der Grenze zwischen Bewußtsein und Unterbewußtsein, nagte an seinem Verstand die Frage, wie sich die Broadway-Bewohner bei der Gründung einer neuen Menschheit anstellen würden, wenn sie herausfanden, daß es mit dem Kopulieren allein nicht getan war.
     
    Sie hatten mehr erwartet. Sie hatten damit gerechnet, eine Erde vorzufinden, deren Oberflächendetails bis zur Unkenntlichkeit verändert waren.
    In Wirklichkeit war nicht allzu viel geschehen. Es gab eine feste Landverbindung zwischen Alaska und Ostsibirien. Da, wo früher Costa Rica gewesen war, gähnte eine gezackte Kluft, die die beiden Amerikas voneinander trennte. Das Mittelmeer war ein Binnensee, gegen den Atlantik abgeschlossen durch eine erstaunlich breite Landbrücke, durch die sich ein wie mit dem
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