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Eine Versammlung von Krähen (German Edition)

Eine Versammlung von Krähen (German Edition)

Titel: Eine Versammlung von Krähen (German Edition)
Autoren: Brian Keene
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wartete darauf, dass sie wieder anfingen.
    Eins … zwei … drei … kommt schon, ihr verrückten kleinen Viecher. Singt für mich .
    Axel zitterte. Die Luft wurde kälter. Ein Kribbeln lief über seine Haut, und die Härchen an seinen Armen fühlten sich wie elektrisch geladen an.
    Mit einem Knall flog das Insektengitter der Sullivans auf. Jean steckte den Kopf heraus.
    »Axel«, rief sie. »Ist der Strom bei Ihnen auch ausgefallen?«
    »Ich glaube, er ist in der ganzen Gegend weg, Jean. Bei Esther sieht’s auch danach aus. Schätze, irgendwo ist eine Leitung kaputt.«
    »Da bin ich erleichtert. Ich dachte schon, sie hätten ihn nur bei mir abgeschaltet.«
    Kopfschüttelnd kehrte sie ins Haus zurück. Axel lauschte aufmerksam und hörte, wie sie Bobby beruhigte. Dann zählte er weiter.
    Vier … fünf … sechs … macht schon, verdammt noch mal! Pfeift endlich!
    Ein Stück die Straße hinauf heulte der räudige alte Beagle der Marshalls. Das plötzliche Geräusch erschreckte Axel, und er zuckte auf seinem Stuhl zusammen. Der Hund heulte erneut. Es klang einsam und kläglich – völlig anders als das fröhliche Kläffen des Beagles, wenn er auf Kaninchenjagd ging. Kurz darauf stimmten Paul Crowleys germanische Bärenhunde im Zwinger hinter dem Haus in das Geheul mit ein. Dann schlossen sich ihnen nacheinander sämtliche Vierbeiner in Brinkley Springs an. Der Lärm wirkte beunruhigend, um es vorsichtig auszudrücken.
    »Was in Dreiteufelsnamen ist da los?«
    Axel schalt sich einen Narren. Es war niemand in der Nähe, der ihm antworten konnte.
    Er wartete ungeduldig, dass die Frühlingspfeifer ihren Chor wieder aufgreifen würden, doch das taten sie nicht. Ihr Schweigen empfand er als verstörend laut – wesentlich lauter als die Hunde. Axel rieb sich abermals die Hände und fragte sich, was vor sich gehen mochte. Die Schmerzen in seinen Fingern verschlimmerten sich. Wieder schweiften seine Gedanken zu Diane ab, doch diesmal wusste er nicht, warum.
    Jean Sullivan kehrte zum Küchentisch zurück, an dem ihr Sohn Bobby in der Dunkelheit saß. Groß und rund leuchteten seine Augen in der umgebenden Schwärze auf. Er hatte sich die Spitze des Zeigefingers in den Mund gesteckt – was er seit dem Windelalter immer tat, wenn er verängstigt oder nervös war. Sie versicherte ihm, dass alles in Ordnung sei, bevor sie eine der Schubladen neben dem Spülbecken durchwühlte und dort einige halb niedergebrannte Kerzen und ein Streichholzbriefchen entdeckte.
    Jean zündete eine Kerze an, blies das Streichholz aus und warf die rauchenden Überreste ins Spülbecken, bevor sie ins Obergeschoss des Hauses lief, um alle anderen Kerzen anzuzünden, die sie auftreiben konnte. Da sie die meisten in Bastelläden gekauft hatte, zogen bald widersprüchliche Düfte durch die Räume – Vanille, Erdbeere, Lavendel und allerlei undefinierbare Aromen. Sanftes Flackern nahm das Haus in Besitz und vertrieb ihr Unbehagen. Der Kerzenschein übte eine beruhigende Wirkung aus. Sie kehrte in die Küche zurück und schenkte Bobby ein aufmunterndes Lächeln. Er erwiderte es und fühlte sich nun, wo es wieder Licht gab, ebenfalls deutlich besser.
    »Was ist passiert, Mama?«
    »Keine Ahnung, Bärchen. Wahrscheinlich ist jemand mit dem Auto gegen einen Mast gefahren. Oder es ist ein Ast auf eine der Leitungen gefallen. Ich bin sicher, bald funktioniert wieder alles.«
    »Kann ich mir einen Film anschauen?«
    »Nicht, solange der Strom ausgefallen ist. Vielleicht können wir heute Abend stattdessen ein Buch lesen.«
    Bobby runzelte die Stirn. »Aber wir lesen nie Bücher.«
    »Tja, das wollte ich schon länger ändern. Vielleicht ist das eine gute Gelegenheit, damit anzufangen. Iss erst mal zu Ende. Mama muss beim Stromversorger anrufen und den Ausfall melden.«
    »Na gut.«
    Bobby benutzte die Gabel, um seinen Hackbraten und seine Erbsen lustlos auf dem Teller herumzuschieben, während Jean nach dem Hörer griff. Normalerweise widerstrebte ihr das uralte Ding mit der antiquierten Wählscheibe. Sie sehnte sich nach einem Mobiltelefon, konnte es sich aber nicht leisten – Sozialhilfe und Kindergeld brachten sie gerade so über die Runden. Ebenso wenig konnte sie sich eins dieser schnurlosen Digitalmodelle leisten, die sie bei Wal-Mart gesehen hatte. Für Jean war das veraltete Telefon vor allem eine ständige Erinnerung an Luxus, den sie ihrem Sohn nicht bieten konnte. In diesem Moment präsentierte es sich als Rettungsanker. Leute mit modernen Geräten
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