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Eine Versammlung von Krähen (German Edition)

Eine Versammlung von Krähen (German Edition)

Titel: Eine Versammlung von Krähen (German Edition)
Autoren: Brian Keene
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lediglich kahles, langsam verrottendes Holz und abblätternde oder ausgebleichte Farbe zur Schau. Überall waren Ziegel von Dächern geweht und nie ersetzt worden. Veranden hingen durch und schienen nur auf eine kräftige Böe zu warten, die sie endgültig zum Einsturz bringen würde. Größtenteils standen die Häuser in Brinkley Springs so dicht beisammen, dass man zwischen ihnen die nächste von Müll gesäumte Straße oder gelegentlich ein Plumpsklo erkennen konnte.
    In den Vorgärten begegnete man eher Erde als Gras oder Blumen. Viele Grundstücke beherbergten Schrottautos, Motorblöcke auf Betonklötzen, Reifenschaukeln, Keramikzwerge und rissige Vogelbäder, halb abgestorbene Bäume, verwitterte Kaninchen- und Hühnerställe, Ständer für Wäscheleinen oder zerfledderte Basketballnetze. Auf einem von Unkraut erstickten Rasen stand sogar ein rostiger alter Schulbus herum. Andere Gärten lagen verlassen da und präsentierten nur tote Vegetation. Vor vielen Häusern standen Verkaufsschilder. Die Hälfte dieser Gebäude bevölkerten ausschließlich Mäuse, von Fall zu Fall auch Schlangen.
    Brinkley Springs hatte die idyllische Fassade von einst längst abgelegt und wurde vom Durchgangsverkehr, der zu aufregenderen Zielen unterwegs war, kaum eines Blickes gewürdigt. Die Kleinstadt verfügte über zwei Verkehrsampeln und drei Stoppschilder – sie wiesen die rostigen Narben von Schrotmunition auf, mit der sie einmal beschossen worden waren. In der Länge erstreckte sich das kleine Städtchen über 15 Blocks, in der Breite über genau ein Dutzend. Daran grenzten ringsum kleine Farmen mit Rinderzucht, Getreideanbau und Pferdeställen. Der schwarze, von Schlaglöchern durchsiebte Asphalt der US 219 drang im Norden ein, führte als Hauptstraße quer durch die City und nahm am gegenüberliegenden Stadtrand wieder die offizielle Bezeichnung an.
    Die meisten Menschen in Brinkley Springs gingen früh zu Bett – nicht aus Langeweile, auch nicht aufgrund verschrobener, altmodischer Moralvorstellungen, sondern weil sie am nächsten Tag zur Arbeit mussten, was eine lange, beschwerliche Fahrt in die umliegenden Städte bedeutete. Brinkley Springs verfügte über keinerlei Industrie; es gab weder Fabriken noch Callcenter, Produktionsstätten oder Bürogebäude, auch keine Bergbau- oder Holzverarbeitungsbetriebe wie in anderen Teilen des Bundesstaats. Abgesehen von Pheasants Autowerkstatt, Barrys Lebensmittelmarkt, Esther Laudrys Frühstückspension, dem kleinen Postamt, ein paar heruntergekommenen Antiquitätenläden und den wenigen umliegenden Farmen hatte Brinkley Springs überhaupt keine Arbeitsplätze zu bieten.
    Das letzte Unternehmen, das sich angesiedelt hatte – ein Betrieb zur Weiterverarbeitung von Truthahnfleisch –, war nach fünf Jahren aufgrund der günstigeren Steuersätze nach North Carolina übergesiedelt. Bald danach brannte die aufgegebene Halle nieder. Manch einer hielt die Umstände für verdächtig – die Besitzer kassierten immerhin eine stattliche Versicherungssumme. Andere sprachen schulterzuckend von einem Unfall oder murmelten, es sei bezeichnend für die schwierigen Zeiten. Was immer auch dahintersteckte, das Werk wurde nie wieder aufgebaut. Zurück blieb lediglich ein verbranntes, von Unkraut überwuchertes Grundstück voller zerbrochener Flaschen, Ratten und Mokassinschlangen. Niemand rechnete damit, dass sich in absehbarer Zeit durch einen Neubau etwas daran ändern würde. Brinkley Springs zog keine Investoren oder expansionswilligen Unternehmen an. Die Siedlung lag zu weit abseits der großen Fernstraßen, eingekeilt zwischen Bergen, tief im Tal des Greenbrier River – eine klassische Pendlerstadt für Menschen, die in Beckley, Lewisburg, Greenbank, Roncefort, Roanoke und anderen größeren, wohlhabenderen Gemeinden im Staat oder unmittelbar hinter der Grenze in Virginia arbeiteten.
    Brinkley Springs war ohnehin nie besonders groß gewesen, und mit jedem verstreichenden Jahr schrumpfte die Bevölkerung ein wenig mehr zusammen. Kleinere Läden wie der Pizzabringdienst oder die Videothek schlossen und wurden nicht wiedereröffnet. Häuser standen leer, wenn ihre Besitzer verstarben, und fanden keine Käufer. Schlaglöcher brachen im Asphalt auf und wurden nie repariert. Es gab im Stadtkern noch eine Vertretung des Veteranenverbands und ein Büro des Ruritan-Bürgerdienstes, aber die Zahl der Mitglieder ging stetig zurück. Die Feuerwehr veranstaltete nach wie vor alle drei Monate ein
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