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Eine Versammlung von Krähen (German Edition)

Eine Versammlung von Krähen (German Edition)

Titel: Eine Versammlung von Krähen (German Edition)
Autoren: Brian Keene
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wenn sich die Welt verändert. Sie sind belebtes Fleisch. Mehr nicht.«
    »Das waren wir auch – früher einmal.«
    »Aber dann wurden wir befreit und durch seine Gnade verwandelt. Ehre sei Meeble.«
    Die anderen nickten zustimmend. Dann hob die vierte Gestalt einen Arm und deutete auf die Ortschaft.
    »Ist es das? Ist das der Grund, weshalb wir heute Nacht gerufen wurden? Könnte das der Ort sein, an dem wir uns nähren werden? Der Ort, an dem wir sein Werk verbreiten dürfen?«
    »So ist es«, antwortete der Erste. »Brinkley Springs, West Virginia.«
    »West Virginia?« Die dritte Gestalt zog eine Augenbraue hoch. »Virginia? Also sind wir in der Nähe von Roanoke?«
    »Ja«, bestätigte der Erste. »Aber es ist nicht das Roanoke, an das du denkst. Es ist eine andere Stadt. Vielleicht danach benannt. Und das ist ein großartiges Beispiel für menschliche Ironie. Wie ich schon sagte, sie sind ahnungslos. Sie wissen nichts über die Bedeutung von Namen. Das haben sie alles vergessen. Je weiter sie in der Evolution voranschreiten, desto weniger bleibt in ihrer Erinnerung zurück.«
    »Brinkley Springs.« Der Zweite runzelte die Stirn. »Der Ort scheint mir … rustikal zu sein.«
    »So ist es immer«, meinte der Erste. »Und so war es schon immer.«
    Der Zweite zuckte mit den Schultern. »Ich hege keine Zweifel, meine Brüder, aber …«
    »Was?«
    »Angesichts all ihrer Fortschritte frage ich mich manchmal, warum wir uns nicht in größerem Maßstab nähren. Stellt euch nur vor, wie herrlich unsere Nacht wäre, wenn wir unsere Bemühungen auf einen großen Ballungsraum konzentrieren könnten. Denkt nur an die Möglichkeiten, die sich böten. Eine gesamte Großstadt auslöschen? Das wäre ruhmreich! «
    »Mag sein«, räumte der Erste ein. »Aber dabei denkst du an deinen eigenen Ruhm, nicht an den Ruhm unseres Meisters. Bis sich die Pforte wieder öffnet und er erneut auf dieser Erde wandelt, dürfen wir nur aus Notwendigkeit handeln, und selbst das mit größter Vorsicht. Eine gesamte Großstadt töten? Unser Bestreben derart pompös voranzutreiben, würde unerwünschte Aufmerksamkeit erregen. Zweifellos existiert in ihren Reihen nach wie vor einige Magie, deren Macht der unseren ebenbürtig ist. Sie könnten sich in den Jahren, seit wir zuletzt zwischen ihnen gewandelt sind, ohne Weiteres organisiert haben. Wir könnten auf Widerstand stoßen.«
    »Ja, das stimmt. Vielleicht würden wir sogar auf jemanden treffen, der weiß, wie man uns aus diesem Reich verbannen kann.«
    Der Erste ignorierte die Bemerkung, doch die drei anderen murmelten untereinander. Sie verstummten, als er weitersprach.
    »Und«, fuhr der Erste fort, »wenn wir unsere Aufmerksamkeit auf eine ganze Großstadt richten, wage ich zu behaupten, dass wir nicht vor dem Morgengrauen fertig würden. Es wäre an der Zeit, sich schlafen zu legen, bevor wir unser Werk vollbracht hätten, und unsere Bemühungen blieben unvollständig. Auf jeden Fall würden wir Zeugen hinterlassen. Sie könnten anderen berichten, was sich zugetragen hat, und wenn wir wieder erwachen, wären sie auf unsere Ankunft vorbereitet. Wenn unser Meister einträfe – und eines Tages wird er eintreffen –, wäre er … unzufrieden.«
    Ein kollektives Raunen ging durch die Gruppe. Schweigend nickten die anderen.
    »Die Sonne geht früh auf«, merkte der Dritte nach einer kurzen Pause seufzend an. »Ich wünschte, uns bliebe mehr als eine kümmerliche Nacht.«
    »Dazu wird es kommen«, erwiderte der Erste. »Eines Tages werden wir mehr Zeit haben. Er hat es uns versprochen. Aber lasst uns vorerst das Beste aus den Möglichkeiten machen, die wir ausschöpfen können. Wie du richtig sagst, die Sonne geht früh auf. Bis dahin ist es schön, wieder mit euch allen zusammen zu sein, und es tut gut, wach zu sein. Nach dem langen Schlaf die erschlafften Glieder auszustrecken.«
    »Das stimmt«, pflichtete ihm der Kleinste bei. »Und ich bin hungrig. Nein – am Verhungern .«
    »Das sind wir alle. Lasst uns anfangen. Lasst uns fressen. Lasst uns morden. Lasst uns ihm, dem wir entstammen, Ehre bereiten.«
    Und das taten sie auch.
    Der Strommast fiel zuerst. Sofort erloschen unten im Tal die nächtlichen Lichter. Die herabgefallenen Kabel zischten, wanden sich und zuckten wie verwundete Schlangen. Funken blitzten zwischen Blättern, Unkraut und Geröll auf. Die Gestalten wirkten angesichts der Gefahr eines Waldbrands gleichgültig.
    »Sollen wir die anderen auch umstürzen?« Der Kleinste
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