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Eine unberührte Welt - Band 3 (German Edition)

Eine unberührte Welt - Band 3 (German Edition)

Titel: Eine unberührte Welt - Band 3 (German Edition)
Autoren: Andreas Eschbach
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mit dem ich schon oft zusammengearbeitet habe, und ich auf weiter südlich gelegenen Schmugglerpfaden von Pakistan aus ins Land gekommen. Man schreibt den Dezember 1984. Seit annähernd fünf Jahren sind sowjetische Truppen in Afghanistan, versuchen mit immer brutaler werdenden Militäraktionen, aus denen wachsende Verzweiflung spricht, den Widerstand der Muhajeddin gegen das kommunistische Regime in Kabul niederzuzwingen. Doch alle Militärmacht versickert und versandet in den unzugänglichen Bergen Afghanistans. Weitgehend unbehelligt sind wir im Schutz unserer Führer umhergereist, haben mit Menschen in entlegenen Bergdörfern gesprochen, konnten Fotos machen, mit denen wir den Zustand des Landes nach fünf Jahren Besatzung zeigen werden, sobald wir zurück sind in unseren warmen Büros zu Hause.
    Falls wir zurückkehren, heißt das. Im Augenblick ist nichts ungewisser als das.
    Bei unserem Versuch, das Land über den Schmugglerweg, auf dem wir gekommen sind, zu verlassen, sind wir in eine sowjetische Falle geraten und nur mit viel Glück entkommen. Nun sind sie hinter uns her.
    Wir haben ein schlechtes Gewissen. Uns ist nichts passiert in demSchusswechsel, nicht einmal ein Kratzer, aber Faiz, unser Begleiter, seit wir im Land sind, hat eine Kugel im Oberarm und noch eine in der Seite, vielleicht, jedenfalls blutet er und muss uns verlassen. Man wird ihn in irgendeiner winzigen Siedlung in den Bergen verarzten, unter Bedingungen, die primitiver sind, als sich ein Westeuropäer vorzustellen im Stande ist, und er wird nur mit viel Glück überleben. Deswegen willigen wir in den halsbrecherischen Plan unserer Begleiter ein, Afghanistan über die Seidenstraße zu verlassen.
    Das bedeutet, es geht hinauf in den Hindukusch, jenes zerklüftete Massiv, von dem die Afghanen sagen, es sei so hoch, dass selbst die Vögel es nur zu Fuß überqueren. Wir folgen jenem Weg, auf dem einst Marco Polo nach China gelangte und später chinesische Seide nach Europa, doch der Name täuscht: Es ist keine Straße, sondern ein oft kaum auszumachender Karawanenweg, der durch ödes Bergland führt und Höhenunterschiede von fast fünftausend Metern überwindet. Trostlose Gegenden sind es, die wir durchqueren, leblose und vereiste Steinwüsten. Würde jemand behaupten, dies sei der Schuttabladeplatz Gottes, der Hinterhof, auf den er einst achtlos jene Baumaterialien schüttete, die bei der Erschaffung der Welt übriggeblieben sind, ich wüsste kein Gegenargument.
    Endlich findet Ahmad einen sicheren Übergang und gibt das Zeichen, ihm zu folgen. Die schwerbepackten Tiere überqueren den Fluss langsam und vorsichtig und in großem Abstand. Die Pferde tun sich schwer, während die Kamele mit ihren weichen Plattfüßen und ihrem sanften Wiegeschritt wesentlich sicherer gehen, sich sogar umschauen, als interessiere sie die Landschaft.
    Wir haben zwei Stunden für zwei Kilometer gebraucht, und nun geht es einen Pass hinauf, obwohl die Dämmerung naht. Der Pfad ist so vereist, dass Ay Sattar Sand aus einem mitgebrachten Beutel streuen muss, damit er begehbar wird. Die Kamele sträuben sich, sind nur mit Zerren und Gebrüll zum Gehen zu veranlassen. Alle fünfzig Schritte müssen wir den Tieren eine Pause gönnen, dann geht es weiter, um jeden Meter muss erbittert gerungen werden von Mensch und Tier gleichermaßen.
    Ein heimtückisch kalter Wind kommt auf, beißt mir ins Gesicht.Ich reibe fortwährend meine Nase und meine Wangen, um sie vor dem Erfrieren zu bewahren. In Pascals Bart hängen Eiszapfen, seine Augen sind blutunterlaufen, trotzdem bedient er mit klammen Händen die Kamera, versucht das atemberaubende Panorama auf ein paar Quadratzentimetern Film einzufangen, will den Betrachter später ahnen lassen, wie es ist, an den Flanken dieser Götterberge emporzuklimmen, zitternd in einer gleichgültigen Bergwand zu hängen, in der jeder Sturz oder falsche Schritt das sichere Ende bedeutet.
    Plötzlich spüre ich Unruhe um mich herum. Die Tiere scheuen, sträuben sich, den nächsten Fuß vorzusetzen, die Treiber geraten in Panik. Zum ersten Mal fällt mir auf, dass jeder unserer Begleiter ein dünnes Pfeifchen an einer Schnur um den Hals trägt; bisher hatten sie es unter ihren Jacken verborgen gehabt, doch nun greifen sie auf einmal alle danach wie nach einem Talisman. Ich will gerade eine diesbezügliche Frage stellen, als ich es höre. Das Geräusch, das der Grund der Unruhe ist.
    Ein fernes, unheilvolles Knattern.
    Sowjetische
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