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Eine unbeliebte Frau

Titel: Eine unbeliebte Frau
Autoren: Nele Neuhaus
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unpassend witzigen Bemerkungen zu kompensieren versuchte.
    »Weibliche Leiche, ungefähr Mitte zwanzig«, sagte er, als er merkte, dass seine Art von Humor nicht ankam. »Genickbruch, diverse Verletzungen, die wohl durch den Aufprall aus dreißig Metern Höhe verursacht wurden. Rigor mortis voll ausgeprägt. Das bedeutet, dass die Frau seit mindestens zehn Stunden tot ist, denn man sagt, dass .«
    »Leichenflecken?«, unterbrach Pia ihn.
    »Noch gut wegzudrücken«, der Zwerg war jetzt angesäuert. »Sie ist nicht länger als vierundzwanzig Stunden tot. Ich schätze, sie ist gestern Abend zwischen zwanzig und dreiundzwanzig Uhr verstorben.«
    »Können Sie Hinweise auf Fremdeinwirkung feststellen?«, mischte sich Bodenstein ein.
    »Nein«, der Zwerg schüttelte den Kopf, »sieht wie ein Suizid aus. Wäre ja nicht das erste Mal. Hier stürzen sich immer wieder Leute runter.«
    Schöning nickte selbstgefällig.
    Bodenstein hielt den Blick auf das Gesicht der Toten gerichtet und versuchte sich vorzustellen, wie sie im Leben ausgesehen hatte. Ihre Haut war fein wie Porzellan, sie hatte ausgeprägte Wangenknochen und eine zierliche Nase. Selbst der gewaltsame Tod hatte der perfekten Symmetrie ihres Gesichts nichts anhaben können. Er beugte sich dichter über die Leiche. Ihr Bauchnabel war gepierct, und oberhalb des Nabels befand sich eine Tätowierung in Form eines Delphins. Pia hockte sich hin und betrachtete den Schuh am linken Fuß der Frau.
    »Manolo Blahnik«, stellte sie fest, »sie hatte einen exklusiven Geschmack.«
    Sie richtete sich wieder auf und streifte durch das Gras rings um die Leiche.
    »Was ist?«, fragte Bodenstein.
    »Der zweite Schuh fehlt.«
    »Können wir?«, fragte einer der Männer des Bestattungsinstitutes, die Polizeiobermeister Schöning herbeordert hatte.
    »Nein«, sagte Bodenstein und betrachtete nachdenklich die Leiche. »Was ist mit dem Schuh?«
    »Was für ein Schuh?«, erwiderte Schöning unwirsch.
    »Sie hat nur einen an«, bemerkte Pia, »sie ist ja wohl kaum mit nur einem Schuh herumgelaufen, oder? Und auf dem Turm haben Ihre Mitarbeiter nichts gefunden.«
    »Wie ist sie überhaupt hierhergekommen?«, fügte Bodenstein hinzu. »Vor zehn Stunden war es zweiundzwanzig Uhr und schon ziemlich dunkel. Steht irgendwo in der Nähe ein geparktes Auto, mit dem sie durch den Wald gefahren ist?«
    »Allerdings«, triumphierte Schöning, denn diese Neuigkeit schien seine Selbstmordtheorie zu untermauern. »Auf dem Parkplatz am Landsgraben steht ein Porsche Cabrio. Abgeschlossen.«
    Bodenstein nickte nachdenklich, dann wandte er sich an die wartenden Polizeibeamten. »Alle verlassen sofort den Fundort. Schöning, lassen Sie das Kennzeichen des Porsche überprüfen, und Frau Kirchhoff, Sie fordern die Spurensicherung an.«
    Schöning konnte seine Verärgerung kaum noch verhehlen. Pia ergriff ihr Handy und forderte das Team von der Spurensicherung an, das gerade mit dem Fundort der Leiche von Hardenbach fertig war. Dann wandte sie sich wieder dem Geschehen zu.
    »Ich schreibe in den Totenschein, dass die Todesursache ungeklärt ist«, sagte der Arzt gerade zu Bodenstein, »ist das okay?«
    »Wenn Sie dieser Auffassung sind, dann sollten Sie das tun«, erwiderte dieser sarkastisch, »oder denken Sie, die Frau ist eines natürlichen Todes gestorben?«
    Der Zwerg lief rot an.
    »Sie sitzen ganz schön auf dem hohen Ross!«, fauchte er.
    »Ich arbeite nicht gerne mit Dilettanten«, entgegnete Bodenstein scharf, und Pia musste sich ein Grinsen verkneifen. Ihr erster Job in der Provinz besaß einigen Unterhaltungswert. Bodenstein zog zwei Paar Latexhandschuhe aus der Tasche seines Jacketts, von denen er eines seiner Kollegin reichte. Sie knieten sich neben die Leiche und begannen vorsichtig, die Hosentaschen der Jeans zu durchsuchen. Aus der Gesäßtasche förderte Pia ein Bündel Geldscheine und ein paar Zettel hervor. Sie reichte das Geld ihrem Chef und faltete vorsichtig die Zettelchen auseinander.
    »Eine Tankquittung«, verkündete sie und blickte hoch.»Gestern um sechzehn Uhr fünfundfünfzig hat sie noch gelebt. Sie hat an der Aral-Tankstelle an der A66 Richtung Wiesbaden getankt, außerdem hat sie drei Päckchen Zigaretten, Eis und Red Bull gekauft.«
    »Das ist doch schon mal ein Anhaltspunkt«, Bodenstein erhob sich und zählte die Geldscheine.
    »Fünftausend Euro!«, staunte er. »Nicht schlecht.«
    »Hier haben wir noch einen Abholschein von einer Reinigung in Bad Soden mit Datum vom 23.
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