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Eine unbeliebte Frau

Titel: Eine unbeliebte Frau
Autoren: Nele Neuhaus
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Bodenstein aber rasch abwürgte.
    »Klinik?«, erkundigte er sich erstaunt. »Ja, die Pferdeklinik. In Ruppsch obbe. Dr. Kerstner ist Tierarzt«, erst in diesem Moment schien sich die Frau zufragen, wer der Mann und die Frau überhaupt waren, die an einem Sonntagmorgen nach den Nachbarn fragten, aber da waren Bodenstein und seine Kollegin schon auf dem Weg zum Auto.
    »Was wolle Se eigentlisch von dem?«, rief die Nachbarin noch, aber sie bekam keine Antwort mehr.
     
    Bodenstein fuhr durch Fischbach, um ein drittes Mal an diesem Morgen hinauf nach Ruppertshain zu fahren. Seine Gedanken waren bei Cosima. Das vertraute Gefühl der Verlassenheit war wieder da, genauso wie sein Wunsch, sie möge eines baldigen Tages die Lust an diesen strapaziösen Abenteuern verlieren. Er hätte sich eher die Zunge abgebissen, als sie darum zu bitten, die Filmexpeditionen sein zu lassen, weil er nur zu gut wusste, dass sie ihre Arbeit liebte und darin aufging. Dennoch fiel es ihm immer schwerer, wochenlang ohne sie zu sein.
    »Wir hätten uns nach der Adresse dieser Tierklinik erkundigen sollen, bevor wir uns jetzt durchfragen müssen«, schreckte Pia ihn in diesem Moment aus seinen Gedanken.
    »Ich weiß, wo sie ist«, erwiderte Bodenstein.
    »Ach?« Pia warf ihrem Chef einen erstaunten Blick zu.
    »Ich bin hier ganz in der Nähe aufgewachsen«, erklärte er ihr, »auf Hofgut Bodenstein. Das kennen Sie vielleicht. Es liegt zwischen Fischbach und Kelkheim.«
    »Ja, klar. Das kenne ich«, bestätigte Pia, die allerdings bisher noch keine Parallele zwischen dem historischen Hofgut und dem Namen ihres Chefs gezogen hatte.
    »Bei uns auf dem Hof gab es immer Pferde«, fuhr Bodenstein fort, »und Dr. Hansen aus Ruppertshain war damals der einzige Tierarzt in der Gegend. Er ist vor ein paar Jahren tödlich verunglückt, und seitdem leitet seine Tochter Inka die Pferdeklinik.«
    »Ach«, Pia betrachtete ihren Chef neugierig. »Ich wette, Sie sind früher Fuchsjagden geritten.«
    »Wie kommen Sie denn darauf?«
    »Na ja«, Pia zuckte die Schultern, »in Ihren Kreisen reitet man eben Jagden, oder nicht?«
    »In welchen Kreisen?«
    »Gräfin Soundso lädt Herzog Sowieso zur Jagd auf den Fuchs ein.«
    »Also wirklich, Frau Kirchhoff«, Bodenstein schüttelte den Kopf, aber seine Stimme hatte einen leicht erheiterten Tonfall, »so ein Unsinn! Was sind denn das für altertümliche Klischees?«
    Er verlangsamte die Fahrt und bog direkt hinter dem Ortseingang von Ruppertshain nach rechts ab.
    »Ich hätte in diesem Nest gar keine Pferdeklinik erwartet«, gab Pia zu.
    »Wieso nicht?«, erwiderte Bodenstein. »Es gibt hier in der Gegend genug Pferde und vor allen Dingen genug gut betuchte Pferdebesitzer. Die Reitanlage hinten am Wald gehört übrigens Ingvar Rulandt.«
    »Ingvar Rulandt?« Pia war beeindruckt. »Der berühmte Springreiter? Ach was!«
    Auf dem Parkplatz der Pferdeklinik stand an diesem frühen Sonntagmorgen nur ein einziger Pferdetransporter mit herabgelassener Verladerampe. Das große, grün gestrichene Hoftor war weit geöffnet, aber im Hof herrschte kein Betrieb. Im Vorbeigehen las Pia auf einem Messingschild »Fachklinik für Pferde. Dres. med. vet. Inka Hansen, Michael Kerstner, Georg Rittendorf«.
    Sie betraten einen großen Hof, der von einer gewaltigen Kastanie beherrscht wurde. Links und rechts befanden sich Pferdeboxen mit grün gestrichenen Türen, deren obere Hälften geöffnet waren. Bodenstein fühlte sich jäh in die Vergangenheitzurückversetzt. Es mochte an die fünfundzwanzig Jahre her sein, dass er das letzte Mal hier gewesen war, und plötzlich erinnerte er sich sogar an das Pferd, das er damals in die Klinik von Dr. Hansen gebracht hatte. Doch nur der Hof war derselbe geblieben, alles andere hatte sich vollkommen verändert. An das alte Stallgebäude schloss sich an der Stelle, an der früher die große Scheune gestanden hatte, ein moderner, zweckmäßiger Flachbau an. Hinweisschilder verrieten, dass sich dort Anmeldung, OP, Labor, Röntgenraum und die Untersuchungsräume befanden. In dem Augenblick trat eine untersetzte, sommersprossige Frau mit einem brandroten Haarschopf und einem Mopsgesicht aus einer der Pferdeboxen und baute sich vor ihnen auf.
    »Wir haben heute keine Sprechzeit«, bellte sie.
    »Guten Tag«, Bodenstein hielt ihr seine Polizeimarke vor die Nase, »mein Name ist Bodenstein, Kriminalpolizei Hofheim. Das ist meine Kollegin, Frau Kirchhoff. Wir möchten Herrn Dr. Kerstner
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