Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Eine Trillion Euro

Titel: Eine Trillion Euro
Autoren: Eschbach Andreas
Vom Netzwerk:
dass Sie einen nicht unwesentlichen Kostenfaktor in Ihrer Kalkulation übersehen.«
    Menschliche Unterkiefer klappten nach unten.
    »Und, ähm, was bitte, wenn man fragen darf?«, fragte der außenpolitische Sprecher schließlich.
    »Die Umwelt.«
    »Die Umwelt?«, echoten die Menschen.
    »Mit Häusern, Schienen und Stromkabeln auf dem Mond ist Ihnen ja nicht gedient. Was Sie vor allen Dingen brauchen, ist ein Ökosystem.« Der Außerirdische breitete seine Tentakelaugen aus, als wolle er jeden seiner Gesprächspartner einzeln ansehen. »Was kostet es Sie, einen Quadratmeter Ackerboden herzustellen? Sie brauchen sechshundert Milliarden davon. Einen Hektar Wald? Einen Liter Fluss? Einen Kubikmeter Luft?«
    Der außenpolitische Sprecher sah ihn stirnrunzelnd an. »Ähm … Nun ja, nichts. Boden, Luft, Wasser – das ist einfach da.«
    Die Tentakelaugen wogten hin und her, es sah fast aus wie ein nachsichtiges Kopfschütteln. »Nein, nein. Nicht auf dem Mond. Da ist Platz, ja – aber kein Boden. Nur Gestein. Boden ist ein komplexes System aus Millionen verschiedenster Pilze, Bakterien und anderer Mikroorganismen aller Art, die Mineralstoffe so aufbereiten, dass diese von Pflanzen aufgenommen werden können.«
    Die Augen der Menschen waren auf einmal alle auf Benedikt Meyerhof gerichtet, doch der hob nur die Hände. »Dazu habe ich keine Zahlen«, erklärte er. »Ich glaube auch nicht, dass das jemals jemand gemacht hat – Ackerboden herstellen.«
    »Wozu auch«, nickte der Kommissionspräsident. »Bis vor ein paar Jahren musste man die Landwirte ja noch bremsen.«
    »Und wo hätte man den Boden auch hintun sollen?«, pflichtete ihm der außenpolitische Sprecher bei. »Es war ja überall schon welcher.« Er wandte sich der außerirdischen Gesandtschaft zu. »Das kann kostenmäßig aber nicht so viel ausmachen, oder? Ist das wichtig?«
    »Hmm ja, doch«, sagte der mit den Tentakelaugen.
    »Durchaus«, meinte der Stielartige.
    »Sehr sogar«, bekräftigte das Spinnenwesen.
    »Sehen Sie«, fing der Sprecher der Delegation an zu erklären, »Sie haben da eben allerlei interessante Berechnungen angestellt, Ihre Besitztümer und Artefakte betreffend, und dabei außer Acht gelassen, dass alle Dinge, die Sie herstellen, ja aus etwas hergestellt werden. Sie zwingen sie ja nicht kraft Ihres Willens ins Dasein, nicht wahr? Nehmen wir zum Beispiel Ihre Ernährung, die ohne unsere Hilfe künftig Ihre größte Sorge sein wird. Ohne Zweifel ist es mit Arbeit verbunden, ein Feld für die Aussaat vorzubereiten und das Saatgut sachgemäß in den Boden zu setzen, und zweifellos ist es eine Arbeitsleistung, später die Ernte einzubringen. Aber das, was dazwischen passiert – und was, wie Sie mir sicher zustimmen werden, der entscheidende Vorgang bei dem Ganzen ist –, vollzieht sich von selbst, gänzlich ohne Ihr Zutun. Aus dem Samenkorn wird ein Kohlkopf, eine Rübe oder ein Weizenhalm, und das von ganz alleine. Sie sind die Nutznießer, aber Sie bringen es nicht hervor. Es ist der Ackerboden, der es in einem hochkomplexen Zusammenspiel von Mikroorganismen, Mineralien, Luft und Sonnenlicht hervorbringt. Und weil das so ist, stellt der Ackerboden selbstverständlich ebenfalls eine Art Produktionsmittel dar und muss entsprechend in die Berechnungen dieses Projekts einfließen. Ebenso wie die Luft, die Tierwelt, die Pflanzenwelt, das ganze Zusammenspiel, von dem Leben abhängt. Ein Ökosystem eben.« Die Tentakelaugen richteten sich, wie es schien, auf alle Anwesenden gleichzeitig. »Habe ich mich diesbezüglich klar ausgedrückt?«
    »Ja«, nickte der Kommissionspräsident.
    »Sehr klar«, bekräftigte der außenpolitische Sprecher.
    »Aber«, fügte der Kommissionspräsident hinzu, »das ändert trotzdem nichts daran, dass wir dafür nicht mit Vergleichszahlen aufwarten können. Wir haben dergleichen nie gemacht. Wir haben, ähm, einfach das Ökosystem benutzt, das wir vorgefunden haben.«
    »Bis jetzt jedenfalls«, sagte der außenpolitische Sprecher.
    »Ah so?«, sagte der mit den Tentakelaugen. Nicht wenige der anwesenden Parlamentarier hatten den starken Eindruck, dass es ein überaus konsterniertes Ah so? gewesen war.
    Die Mitglieder der außerirdischen Delegation beratschlagten in einem völlig unverständlichen, zwitschernden, blubbernden, von eigentümlichen Knacklauten durchsetzten Idiom. Die pelzigen Gnome standen da, wackelten hin und her und raschelten dabei mit den Ohren. Ab und zu raste einer von ihnen los,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher