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Eine Sünde zuviel

Eine Sünde zuviel

Titel: Eine Sünde zuviel
Autoren: Heinz G. Konsalik
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du das gehört, Ernst?« Luise Dahlmann wandte den Kopf zurück in die Richtung, wo sie ihren Mann vermutete.
    »Ja, mein Liebes …«, sagte Dahlmann und streichelte Monika weiter, die an seiner Schulter das Schluchzen unterdrückte.
    »Ich werde wieder sehen können –«
    »Bestimmt, Luiserl –«
    »Ich bin so glücklich –«
    »Wir alle sind glücklich, Luiserl –«
    Dann warteten sie stumm, bis Dr. Neuhaus sie aus dem Zimmer geführt hatte, zurück in ihr Krankenzimmer, wo sie von der Stationsschwester sofort ins Bett gebracht wurde, um sich von den Anstrengungen zu erholen. Sie erhielt eine Beruhigungsinjektion und schlief schnell ein.
    Ernst Dahlmann löste sich aus der Umklammerung seiner Schwägerin und trat an Professor Bohne heran, der mit dem Rücken zum Raum am Fenster stand und hinaus auf die Straße starrte.
    »Bitte, sprechen Sie ehrlich, Herr Professor«, sagte Dahlmann heiser. »Verschweigen Sie nichts … die Operation ist also mißlungen?«
    »Der Erfolg ist nicht so, wie ich es erhofft habe.«
    »Warum reden wir herum?« Dahlmanns Stimme hatte etwas Forderndes, Barsches an sich. Wieder kam in Professor Böhne die Abneigung hoch, die er schon bei der ersten Begegnung mit Dahlmann gespürt hatte, eine Abneigung, die es ihm schwerfallen ließ, höflich zu bleiben. Er drehte sich nicht um, sondern sah weiter aus dem Fenster. »Meine Frau bleibt also blind?«
    »Im Augenblick – ja.«
    »Was heißt das: Im Augenblick?«
    »Die transplantierte Hornhautscheibe ist gut eingewachsen, aber sie hat sich wieder so weit getrübt, daß nur Licht und Schatten erkennbar bleiben. Ich befürchte, sie wird sich im Laufe der Zeit weiter eintrüben. Es wäre zu kompliziert, Ihnen jetzt den physiologischen Vorgang zu erklären, aber –«
    »Mich interessiert lediglich, daß die Operation mißlungen ist.« Ernst Dahlmann tupfte sich mit einem Ziertaschentuch über die Stirn. Sie bleibt blind, dachte er. Sie wird herumsitzen, weiter Schallplatten und Tonbänder hören, ich werde ihr die Zeitung vorlesen, die Tageseinnahmen der Apotheke, die Korrespondenz, die privaten Briefe.
    »Wir können sie in einem Jahr wiederholen –«, sagte Professor Bohne fast mit Widerwillen.
    »Nein!«
    Dieses harte Nein veranlaßte Bohne, sich doch herumzudrehen. Er sah in harte, braune Augen, die fern aller Erschütterung waren, ohne Mitgefühl, ohne seelische Ergriffenheit. Dr. Ronnefeld trat ebenfalls vor. Er atmete schwer.
    »Herr Dahlmann … man muß jede Chance wahrnehmen«, sagte er laut.
    »Das war die letzte … und es ist auch mein letztes Wort! Ich möchte Luise noch einmal dieses Hoffen, Bangen und Warten und später den seelischen Niederbruch ersparen. Es ist eine Quälerei … Sie haben es gesehen, meine Herren!« Seine Stimme bekam einen glucksenden Klang. Welch ein Schauspieler, dachte Professor Bohne plötzlich, ohne sagen zu können, warum er es dachte und die plötzliche Weichheit Dahlmanns nicht für ernst nahm. »Dieses hier war der letzte Versuch. Ich glaube, auch Sie wissen nicht, an wen ich mich noch wenden sollte und wer mir garantiert, daß die Operation gelingt. Niemand wird das garantieren. Also finden wir uns damit ab, daß meine Frau blind bleibt. Damit ist ihr Leben ja nicht abgeschlossen … es ändert sich nur. Es gibt Schlimmeres, mit dem man sich abfinden muß.«
    Professor Bohne schwieg und sah Dr. Ronnefeld an. Dann wanderte sein Blick zu Monika Horten. Sie stand im Hintergrund des Zimmers an der Wand und weinte noch immer.
    »Es ist gut, wenn man sich mit etwas abfinden kann«, sagte er doppelsinnig. »Das erleichtert vieles –«
    Ernst Dahlmann überhörte die Untergründigkeit. Er nickte zustimmend. »Wer aber, meine Herren, will ihr sagen, daß sie blind bleibt? Sie hofft doch jetzt …«
    »Ich werde das übernehmen.« Professor Bohne zog die Gardine vor das Fenster. »Ich glaube, sie ahnt es.«
    Dr. Neuhaus kam zurück. Schon an der Tür nickte er seinem Chef zu. »Sie schläft, Herr Professor.«
    »Hat sie noch etwas gesagt?«
    »Nein. Kein Wort.«
    »Keine Frage?«
    »Nichts.«
    »Dann weiß sie es.« Ernst Dahlmann atmete heftig. »Wie muß es jetzt in ihr aussehen! Und gerade das wollte ich ihr ersparen.«
    Professor Bohne steckte die Hände in seinen weißen Kittel. Wenn diese kalten Augen nicht wären, könnte man ihm jede Erschütterung glauben, dachte er. Aber diese Augen blicken anders, als der Mund spricht … und auf Augen verstehe ich mich, nicht nur anatomisch.
    »Wir werden sie
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