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Eine Stadt wie Alice

Eine Stadt wie Alice

Titel: Eine Stadt wie Alice
Autoren: Neville Shute
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unversehrt
einzuhändigen. Wie, wenn ein jäher Preissturz, ein Verfall erfolgte oder ein
unvorhergesehenes Unglück über Australien hereinbrechen sollte, fragte ich mich
besorgt! Dreißig Prozent der ihr bisher überlassenen Erbschaftsmasse wären dann
unwiderbringlich verloren! ‹Sie trägt zu viele Eier in einem Korb!› sagte mir
eine warnende Stimme. ‹So löblich ihre Kapitalanlagen auch sein mögen,
mündelsicher sind sie nicht!›
    Ihren Gipfel erreichten meine
Befürchtungen gleich nach der Geburt des kleinen Noel. Sie schrieb mir vom
Wochenbett aus, sie lag in Willstown im Hospital, und bat mich, Pate des
Kleinen zu sein, was mich aufrichtig freute, obwohl wenig Aussicht bestand, daß
ich so lange leben würde, um meine Patenpflichten in ausreichendem Maße
erfüllen zu können. Aber der zweite Pate war der junge Billy Wakeling, der ein
halbes Jahr zuvor Rose Sawyer geheiratet und sich im Kreis Willstown
niedergelassen hatte, so daß ich mir sagte, durch einen hochbetagten Paten, der
obendrein am andern Ende der Welt zu Hause war, geschähe dem Täufling kein
großes Unrecht. Natürlich habe ich unverzüglich mein Testament in
entsprechender Weise geändert.
    Der größere Teil dieses Patenbriefes
aber war den Verhältnissen von Midhurst gewidmet:
     
    Du weißt, lieber Noel, daß Joe
vorläufig immer noch Manager, das heißt, nur Verwalter ist. Er hat sich sehr
gut bewährt. Als er die Station übernahm, waren dort kaum achttausend Stück
Vieh, jetzt sind es zwölf- bis dreizehntausend. Wir können in diesem Jahr über
zweitausend verkaufen. Man bringt sie gar nicht auf einen Schub weg. Joe muß
den Weg zweimal machen, und es hat den Anschein, daß sich in den kommenden
Jahren unser Viehbestand entsprechend weiter vermehren wird, weil Billy
Wakeling von Jahr zu Jahr während der Trockenzeit neue Deiche und Staubecken
baut und dadurch das Futter immer besser und reicher wird.
     
    Mrs. Spears, so erzählte sie weiter,
sei nun sehr alt und habe den Wunsch, das große Kapital, das in Midhurst
stecke, zum Teil flüssigzumachen.
     
    Wahrscheinlich will sie es noch zu
Lebzeiten an ihre Erben geben, um die hohe Erbschaftssteuer zu sparen. Sie ist
nach dem Tod ihres Gatten aus der Gulf Country fortgezogen und wohnt seitdem in
Brisbane. Letzten Oktober waren wir einige Tage bei ihr zu Besuch. Ich habe Dir
damals nichts davon geschrieben, weil ich mir alles zuerst genau überlegen
wollte, vor allem, ob wir irgendwo ein Darlehen zu erträglichen Bedingungen
erhalten können. Mrs. Spears hat uns nämlich gefragt, ob wir den halben Anteil
an der Station kaufen wollen. Auf die andere Hälfte werde sie uns in diesem
Falle eine Option geben, so daß wir die zweite Hälfte nach ihrem Tode zu dem
alsdann abzuschätzenden Wert hinzuerwerben könnten. Zur Zeit beträgt der Wert
des halben Viehbestandes etwa dreißigtausend Pfund. Der Boden selber gehört wie
alles Land hier dem Staat und ist gepachtet; der gegenwärtige Pachtvertrag
läuft noch siebzehn Jahre, und wenn wir auf ihren Vorschlag eingehen, würde
Joes Name als Mitpächter in den Vertrag eingesetzt.
     
    Sie habe in der Angelegenheit vor
einiger Zeit mit der Bank Rücksprache genommen. Diese sei bereit, zwei Drittel
der dreißigtausend Pfund vorzuschießen und das restliche Drittel, das heißt
zehntausend Pfund, müsse sie selbst aufbringen.
     
    Die Bank hat einen Sachverständigen
nach Midhurst geschickt. Joe genießt in der Gulf Country einen sehr guten Ruf,
und der Sachverständige gab ein günstiges Urteil über den Zustand und die
Aussichten des Besitztums ab. Aber die zehntausend müssen wir bar auf den Tisch
legen, und darum wollte ich Dich, lieber Noel, nun bitten. Midhurst, das kannst
Du mir glauben, ist eine gute Station, und wir sind hier sehr, sehr glücklich.
Wenn wir den Anteil nicht übernehmen können, wird Mrs. Spears wahrscheinlich
das Ganze anderweitig verkaufen, und wir müssen woanders von vorne anfangen.
Mir ist der Gedanke schrecklich, und für Joe wäre es nach all der Arbeit, die
er auf Midhurst verwandt hat, eine schwere Enttäuschung. Es wäre auch ein
Jammer, Willstown verlassen zu müssen, jetzt, da es sich so schön entwickelt.
Es ist ein glückliches Städtchen geworden, in dem es sich leben läßt. Wenn es
irgendwie geht, will ich hier bleiben.
     
    Und weiter las ich in diesem Brief:
     
    Ich weiß, lieber Noel, eine Viehstation
ist keine mündelsichere Anlage, so wenig wie irgendeines der andern Dinge, in
die Du mich mein
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