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Eine Spur von Verrat

Eine Spur von Verrat

Titel: Eine Spur von Verrat
Autoren: Anne Perry
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drückte dankbar ihren Arm.
    »Ich verstehe sehr gut, was du mir damit sagen willst, Hester, und ich weiß es zu schätzen. Ich muß dich in nächster Zeit unbedingt mit Alexandra bekannt machen. Sie würde dir gefallen – und du ihr. Sie hat jung geheiratet und sofort ein Kind nach dem anderen bekommen, so daß sie keinerlei Erfahrungen mit dem Alleinleben sammeln konnte oder auch nur entfernt in den Genuß der Abenteuer gekommen ist, die du erlebt hast. Trotzdem hat sie sich eine so große geistige Unabhängigkeit bewahrt, wie es ihre Lebensumstände erlauben, und es mangelt ihr ganz gewiß nicht an Mut oder Phantasie.«
    »Wenn der geeignete Moment dafür gekommen ist, wäre es mir eine Freude«, sagte Hester, obwohl sie in Wirklichkeit nicht besonders erpicht darauf war, ihre äußerst kostbare Freizeit mit einer frisch verwitweten Frau zu verbringen, wie mutig diese auch sein mochte. Ihr Beruf brachte sie mit mehr als genug Kummer und Leid zusammen. Auf der anderen Seite wäre es sehr unfreundlich gewesen, das in diesem Moment auszusprechen, außerdem mochte sie Edith wirklich gern und hätte so manches getan, um ihre Lage zu erleichtern.
    »Ich danke dir.« Edith schaute sie von der Seite her an.
    »Würdest du es sehr gefühllos finden, wenn ich das Thema wechsle?«
    »Aber nein, ganz und gar nicht! Hast du etwas Bestimmtes im Sinn?«
    »Ich habe mich hier mit dir verabredet, statt dich zu uns einzuladen, weil du der einzige Mensch bist, bei dem ich mir vorstellen kann, daß er es versteht und vielleicht sogar helfen kann. Selbstverständlich wird man mich nach dieser schrecklichen Geschichte demnächst zu Hause brauchen, aber dann…«
    »Ja?«
    »Oswald ist inzwischen zwei Jahre tot, Hester, und wir haben keine Kinder.« Ein gequälter Ausdruck glitt über ihr Gesicht. In dem harten Licht der Frühjahrssonne wirkte sie plötzlich verwundbar und um einiges jünger als dreiunddreißig. Doch die Schwäche war sofort wieder verflogen und machte Entschlossenheit Platz. »Ich langweile mich zu Tode«, erklärte sie mit fester Stimme, während sie unwillkürlich die Schritte beschleunigte. Sie bogen zu einer Brücke ab, die über ein schmuckes Bächlein zum botanischen Garten führte. Ein kleines Mädchen warf den Enten Brotbrocken zu.
    »Außerdem habe ich nur sehr wenig eigenes Geld«, fuhr Edith fort. »Oswald hat mir nicht annähernd genug hinterlassen, um den Lebensstil weiterzuführen, an den ich gewöhnt bin. Folglich bin ich voll und ganz von meinen Eltern abhängig – der einzige Grund übrigens, warum ich noch im Hause Carlyon lebe.«
    »Du hast vermutlich nicht vor, noch einmal zu heiraten?«
    Edith warf ihr ein rabenschwarzes Lächeln zu, dem es nicht an Selbstironie fehlte.
    »Ehrlich gesagt halte ich das für ziemlich unwahrscheinlich«, gab sie offen zu. »Auf dem Heiratsmarkt wimmelt es von Mädchen, die jünger und hübscher sind als ich und über eine ansehnliche Mitgift verfügen. Meine Eltern sind ganz glücklich dabei, daß ich wieder zu Hause bin, sozusagen als Gesellschaft für Mutter. Sie haben mir einen passenden Ehemann besorgt, und damit ist ihre Pflicht getan. Daß er auf der Krim fallen mußte, ist mein persönliches Pech; sie sind nicht verpflichtet, mir einen anderen zu suchen – was ich ihnen nicht im geringsten nachtrage. Ich glaube, es wäre ein extrem schwieriges, wenn nicht gänzlich fruchtloses Unterfangen. Außerdem bin ich überhaupt nicht bereit, wieder zu heiraten, es sei denn, ich würde eine tiefe Zuneigung zu einem Mann fassen.«
    Sie gingen nebeneinander über die Brücke; unter ihnen plätscherte kühles, trübgrünes Wasser dahin.
    »Du meinst, dich verlieben?« hakte Hester nach. Edith lachte.
    »Du bist ja eine richtige Romantikerin! Das hätte ich von dir gar nicht erwartet.«
    Hester ignorierte die Anspielung. »Mir fällt ein Stein vom Herzen. Einen Moment lang hab ich schon befürchtet, du würdest mich bitten, dich mit jemandem bekannt zu machen.«
    »Na, wohl kaum! Wenn du jemanden kennen würdest, den du mir guten Gewissens empfehlen kannst, würdest du ihn vermutlich selbst nehmen.«
    »So, glaubst du!« erwiderte Hester ein wenig spitz. Edith schmunzelte. »Ist denn das so schlimm? Wenn er gut genug für mich ist, ist er dann nicht auch gut genug für dich?«
    Hester entspannte sich. Ihr wurde allmählich klar, daß man sie ganz sanft aufzog.
    »Falls ich zwei derart göttliche Wesen auftreiben sollte, laß ich’s dich wissen«, räumte sie großzügig
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