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Eine private Affaere

Eine private Affaere

Titel: Eine private Affaere
Autoren: John Burdett
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hielt.
    »Weißt du, was erstaunlich ist? Daß ich ihn wirklich geliebt habe, und das tue ich immer noch. Kannst du dir das vorstellen? Ich hab’ fast alles für ihn gemacht, von Anfang an. Kannst du dir das vorstellen?«
    Er erzählte mir ausführlich von seiner Beziehung zu Holmes. Von Anfang an war er wie hypnotisiert gewesen von dem fast zwanghaften Doppelspiel Holmes’. Seine Schläue war grenzenlos, seine Geheimnisse undurchdringlich. Seine einzige Schwäche bestand darin, daß er vor seinen schwulen Freunden damit prahlte, wie gekonnt er dieses Doppelleben führte. Er erklärte ihnen gern, daß er das System ausgetrickst hatte, daß er sich selbst als eine Schlange betrachtete, die es geschafft hatte, aus der Grube zu kriechen. Und wer wollte ihm da widersprechen? Er war gleichzeitig der erfolgreichste Kriminelle und der erfolgreichste Polizist Londons. Den jungen Thirst hatte das zutiefst beeindruckt.
    »Er hat mir immer gern davon erzählt, wie er dich benutzt hat, James – er konnte es gar nicht glauben, wie naiv du warst, wie du die ganzen Drogenbarone vor Gericht gebracht hast, während der schlimmste von allen hinter dir auf der Bank saß. Ihm hat es immer unheimlich gefallen, daß er dich auf die Kriminellen scharfgemacht hat, besonders auf mich. Natürlich hab’ ich ihm nie gesagt, daß ich dich schon lange kenne, sozusagen aus einem anderen Leben.«
    Langsam, fast schon zärtlich, legte er die Waffe auf die Ablage vor dem Schalthebel.
    »Ich hätte mir gewünscht, daß du mich vor ihm rettest. Ich wollte, daß du mein Fluchtweg bist – du und Daisy. Aber du hast versagt. Und jetzt mußt du deine Pflicht tun, weil ich nicht wieder ins Gefängnis gehe – nie wieder.«
    Ich packte die Waffe mit der rechten Hand. Er legte den Kopf gegen die Kopfstütze und lächelte.
    »Jetzt muß ich dich nur noch dazu bringen, daß du mich umbringst.«
    »Warum sollte ich das machen?«
    »Weil ich der Teil von dir bin, den du die ganzen Jahre weggesperrt hast – seit deine Mum gestorben ist, weißt du noch?«
    »Ich bin nicht verantwortlich für dich, das bin ich nie gewesen. Daß du glaubst, ich oder jemand anders wär’s – das ist ein Teil deines Problems.«
    Er hob müde die Hand. »Nicht. Das Gerede kann ich auswendig herunterbeten. Sag einfach, ich bin völlig verkorkst. Bevor ich dich kennengelernt habe, war ich ganz normal verkorkst. Und jetzt bin ich wegen dir und Daisy und Eleanor und Hogg ziemlich merkwürdig verkorkst. Ich kann dir alles, was mit mir nicht in Ordnung ist, mit den Begriffen sämtlicher Sozialwissenschaften erklären. Ich weiß es alles ganz genau. Aber es hilft nichts – es macht den Schmerz nur noch schlimmer. Ich schäme mich für mich selber. ›Mein Gott, jetzt fängt er wieder damit an und vermasselt sein Leben zum zehntausendsten Mal.‹ Das sagen nicht die über mich, sondern ich. Ich glaube, ich hab’ was rausgefunden, was sonst kaum jemand rausfindet – ich hab’ mir die Hacken nach was abgelaufen, was es gar nicht gibt. Nach meiner eigenen Identität. Und das habe ich dir zu verdanken. Dir und Daisy und den anderen. Bloß du bist anders, James, du läufst nicht einfach weg. Wir gehören zusammen, du und ich. Genauso wie du immer ans Telefon bist und mir die Tür aufgemacht hast, wirst du auch das heute nacht machen müssen. Aber … Hat Daisy dir je von ihrer Theorie erzählt, daß wir zwei schwul sind?«
    »Ja, ja. Es gibt kaum etwas, besonders auf sexuellem Gebiet, das Daisy mir nicht irgendwann mal vorgeworfen hat. Ich glaube, sie hat sich ausgemalt, daß wir eine Schwulenbeziehung haben – wahrscheinlich hat sie das angetörnt.«
    »Aber du hast ihr nie die Wahrheit gesagt?«
    »Die Wahrheit?«
    Er sah mich ungläubig an.
    »Nein, ich habe ihr nie die Wahrheit gesagt.«
    Er seufzte. »Tja, ich auch nicht. Ich hab’ niemandem erzählt, daß wir als Kinder Kumpels waren. Ich hab’ meinen Augen nicht getraut, als ich dich damals auf der Tower Bridge gesehen hab’ und du plötzlich mein Anwalt warst. Ausgerechnet du.«
    »Da gab’s nichts zu sagen. Da war eine Glaswand zwischen uns – was hätte ich denn machen sollen?«
    »Bei mir war’s der Stolz. Ich weiß, es ist lang her, aber für solche Sachen hab’ ich ein Wahnsinnsgedächtnis. Du hast mich im Stich gelassen, ganz plötzlich. Das war das erste Mal, daß ich verraten wurde, weißt du das? Du warst der schlimmste von uns allen, du hast mir beigebracht, wie man Motorroller klaut. Erinnerst du dich noch an
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