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Eine private Affaere

Eine private Affaere

Titel: Eine private Affaere
Autoren: John Burdett
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beneidete ihn um seine unverbrauchte Leidenschaft und beschloß, den Porsche zu stehlen.
    Er wartete unter einem Torbogen, während im dritten Stock ein Licht anging. Das Paar wurde in der Düsterkeit der Londoner Nacht kurz erhellt, sie bewegungslos, er auf sie zugehend, die Hände nach ihrer Taille ausgestreckt. Dann fiel der Frau ein, eine Jalousie herunterzulassen. Abgeschnitten von ihren Vertraulichkeiten, lächelte der Dieb. Sie gehörten nicht zu der Sorte, die zuerst einen Drink nimmt. Vielleicht fünf Minuten für ein »Wie war dein Tag?«, weitere fünf zum Entkleiden, zehn bis fünfzehn fürs Vorspiel; der Arzt sah aus wie ein Mann, der auf sein Vorspiel stolz war.
    Der Dieb sah auf seine Uhr. Der Arzt war mit Sicherheit ein Romantiker. Selbst wenn der Autoalarm losging – was konnte er schon dagegen unternehmen – in der Unterwäsche hinunterlaufen? Sie würde ihm das nie verzeihen – denn sie war gewiß auch eine Romantikerin, wenn sie jeden Freitagabend bis zwölf auf ihn wartete, statt auf eine Party zu gehen oder sich mit einem ungebundenen Mann zu treffen. Sie durfte nie in eine Situation kommen, in der sie sagen müßte: »Dein Porsche ist dir wichtiger als ich.« Er ging zu dem schnittigen Wagen hinüber.
    Er rechnete damit, daß der Porsche eine Herausforderung darstellen würde, vielleicht einen ausgeklügelten Alarmauslöser mit Richtfunkverbindung und Ultraviolettlicht, dazu eine Zentralverriegelung hätte. Aber unter der Motorhaube des Porsche 944 ist nicht viel Platz für eine Alarmanlage, lediglich eine Stelle, und die kannte der Dieb. Es war nicht schwer, die Motorhaube vorsichtig hochzuheben, ohne dabei die Sensoren zu aktivieren und dann die Verbindung zur Batterie zu kappen. Es gab die Möglichkeit, noch ein zusätzliches Batteriesystem einbauen zu lassen, aber die meisten Leute machten sich nicht die Mühe. Wenn der Arzt daran gedacht hatte und der Alarm losging, würde der Dieb die Beine in die Hand nehmen.
    Doch der Dieb hatte Glück. Als er an der Tür auf der Fahrerseite vorbeiging, sah er, daß der Arzt sie in seiner Eile nur halb verschlossen hatte. Der Alarm war also nicht eingeschaltet.
    Aus seiner Tasche holte er einen Dietrich, führte ihn fachmännisch ins Schloß ein und öffnete die Tür fünfundvierzig Sekunden später. Mit demselben Schlüssel würde er auch das Zündschloß bearbeiten. Der Dieb war inzwischen aufgeregt, aufgeregt und doch cool. Die kühle Seite seines Gehirns hatte die heiße, erregte fest im Griff; er hatte das intensive Gefühl kontrollierter Energie, wie es auch Athleten und Süchtige kennen. Er hielt den Atem an, zählte bis fünf, steckte den Schlüssel ins Zündschloß, drehte ihn ein bißchen hin und her, damit er, obwohl er nicht ganz paßte, griff, und der Motor sprang an. Sekunden später legte er den ersten Gang ein, lenkte den Wagen langsam aus der Parklücke heraus, schaltete an der Straßenecke hoch und raste davon.

TEIL EINS
     

[1]
    Am Sonntag nach Oliver Thirsts Tod kamen zwei Polizisten zu mir nach Hause in Hampstead. Ich kannte sie beide gut. Sie hatten einen zu hohen Dienstgrad für eine reine Routinevisite, und ein Freundschaftsbesuch war dies mit Sicherheit auch nicht. Daraus schloß ich, daß sie vorhatten, mich des Mordes anzuklagen, und entsprechende Vorkehrungen getroffen hatten.
    George Holmes, der ältere der beiden, hatte mich am Morgen angerufen und mit seiner zurückhaltenden Stimme gefragt, ob es mir recht sei, wenn er vorbeikomme. Er klang müde; es fiel mir wieder ein, daß er noch in jenem Jahr in den Ruhestand gehen wollte. Ich hatte ihn bereits als jungen Beamten gekannt, als er die Energie von zehn Männern zu haben schien; jetzt hatte die Last zahlloser Verbrechen offenbar sogar seine Kräfte aufgezehrt. Vincent Purves, den anderen, kannte ich nicht so gut, doch nach einem Jahrzehnt in mehr oder weniger dem gleichen Geschäft war auch er mir vertraut. Ich wußte um ihre Schrullen, ihre Schwächen und die Begabung, die ihre Karriere stetig vorangetrieben hatte. Zum Beispiel wußte ich, wie verschlagen George sein konnte, und deshalb war ich ein bißchen nervös.
    Durch das Fenster beobachtete ich, wie sie die Straße ein paarmal auf der Suche nach einem Parkplatz auf und ab fuhren. Dabei entging ihnen immer wieder eine freie Stelle vor dem Häuserblock gleich gegenüber. Endlich fand George dann einen geeigneten Platz für seinen verbeulten und schmutzigen alten Rover. Vincent, der mit Fünfzig immer noch
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