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Eine Nacht zum Sterben

Eine Nacht zum Sterben

Titel: Eine Nacht zum Sterben
Autoren: Jack Higgins
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da das Gefühl, daß diesmal alles anders war, daß die Polizei auf ihn warten könnte – und das bedeutete fünf Jahre Gefängnis.
    Eine Welle hob das Boot plötzlich an und warf es in einen öligen Streifen Brandung; es rutschte noch ein paar Meter und kam auf Kieselsteinen zum Stehen. Mercier zog die Ruder ein, sprang heraus und zog das Boot herum. Der Bug zeigte jetzt in die offene See. Er richtete sich auf, und da leuchtete ihn aus der Dunkelheit eine Lampe an. Einen Augenblick war er geblendet.
    Er hielt abwehrend die Hand vor das Gesicht, die Lampe verlöschte, und ein Mann sagte mit ruhiger Stimme auf französisch: »Ihr seid spät gekommen. Wir müssen uns beeilen.«
    Es war Rossiter, der Engländer. Mercier erkannte ihn an seinem Akzent, obwohl sein Französisch fast perfekt war.
    Der einzige Mann, den er kannte, der es mit Jacaud aufnehmen konnte. In der Dunkelheit waren er und der Mann in seiner Begleitung nur als Schatten zu erkennen.
    Die beiden sprachen ein paar Worte auf englisch, eine Sprache, die Mercier nicht verstand. Dann stieg der andere Mann ins Boot und kauerte sich im Bug nieder.
    Mercier folgte ihm, nahm die Ruder, und Rossiter schob das Boot über die erste Welle und kletterte dann selbst in den Bug.
    Jacaud stand an der Reling und wartete auf sie; seine Zigarre glühte schwach in der Dunkelheit. Der Passagier stieg als erster auf die Barkasse, Rossiter kam mit seinem Koffer hinterher. Als auch Mercier an Deck geklettert war, waren die beiden nach unten gegangen. Jacaud half ihm das Boot über die Reling zu heben, das Festmachen überließ er ihm, und er ging in die Steuerkabine. Einen Augenblick später fingen die Maschinen an zu dröhnen, und sie stachen wieder in See.
    Mercier hatte das Beiboot festgezurrt und mußte noch ein paar Routinearbeiten erledigen. Rossiter war zu Jacaud in das Steuerhäuschen gegangen; die beiden standen nebeneinander am Steuer. Das schmale, feinsinnige Gesicht des Engländers wirkte noch asketischer neben Jacauds brutalen Zügen – die beiden Männer waren Gegensätze wie Tag und Nacht. Der eine hatte etwas Animalisches, der andere war ein Gentleman von Kopf bis Fuß, und doch verstanden sie sich offenbar glänzend; etwas, das Mercier immer ein Rätsel geblieben war.
    Als er am Steuerhäuschen vorbeikam, hörte er Jacaud mit gedämpfter Stimme reden, und dann brachen sie beide in Gelächter aus. Selbst in ihrem Lachen waren sie verschieden, das fröhliche Kichern des Engländers mischte sich auf seltsame Weise mit Jacauds kehligem Grunzen, und dennoch schienen sich die beiden zu ergänzen.
    Mercier zuckte die Achseln und ging nach unten in die Kombüse.
     
    Die Überfahrt war bisher überraschend ruhig verlaufen, wenn man bedachte, wie ungestüm sich der Kanal manchmal gebärdete. Gegen Morgen fing es an zu regnen. Mercier stand am Steuer, und als sie den Bereich der englischen Küste verließen, stießen sie auf eine dichte, undurchdringlich scheinende Nebelwand. Er stampfte auf die Deckplanken, und nach einer Weile erschien Jacaud. Er sah furchtbar aus mit seinen geschwollenen Lidern und den blutunterlaufenen Augen; von der durchwachten Nacht war sein Gesicht grau und schwammig geworden.
    »Was ist denn los?«
    Mercier nickte und sah auf die Nebelwand. »Das sieht nicht gut aus.«
    »Wie weit sind wir draußen?«
    »Sieben oder acht Kilometer.«
    Jacaud nickte und schob ihn zur Seite. »Schon gut – laß mich man machen.«
    Rossiter erschien in der Tür. »Schwierigkeiten?«
    Jacaud schüttelte den Kopf. »Ich mach das schon.«
    Rossiter ging an die Reling. Er blickte mit unbewegtem Gesicht in den Nebel; ein kleiner Muskel in seinem Mundwinkel zuckte, die Anstrengung machte auch ihm zu schaffen. Er drehte sich um und stieß gegen Mercier, als er nach unten gehen wollte.
    Mercier stand im Schiffsbug; er stellte den Kragen seiner Seemannsjacke hoch und schob die Hände in die Taschen. In dem trüben Licht der Dämmerung sah die Barkasse noch ärmlicher aus als sonst; man sah ihr an, was sie war: das Fischerboot eines armen Mannes. Hummerkisten lagen im Hinterschiff in unordentlichen Stapeln neben dem Schlauchboot, und der Bretterverhau des Maschinenraums war mit Netzen behängt. Der Nieselregen hatte alles mit einem feuchten Schleier überzogen; und dann verschluckte sie der dichte Nebel. Grauweiße Schwaden trieben Mercier ins Gesicht; er fühlte sich kalt, feucht, schmutzig, als hätte der Tod ihn angerührt.
    Und wieder überkam ihn die Angst; er fing
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