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Eine Nacht, Markowitz

Eine Nacht, Markowitz

Titel: Eine Nacht, Markowitz
Autoren: Ayelet Gundar-Goshen
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erste Mal hatten sie miteinander geredet, als Jakob Markowitz mitten in der Nacht von seinem Besuch in Haifa heimkehrte. »Halt«, herrschte Seev Feinbergs Stimme ihn im Dunkeln an. »Wer bist du, und woher kommst du?« Jakob Markowitz zitterten die Beine, aber er antwortete mit fester Stimme: »Ich bin Jakob Markowitz. Ich war bei einer Frau.« Seev Feinbergs Lachen weckte die Hühner in den Ställen. Dann fragte er weiter, und Jakob Markowitz antwortete von Herzen gern. Er erzählte von den Nippeln der Frau, die allerliebst gewesen waren, und fand sich sogar bereit, ihren Po und ihre Beine ausführlich zu beschreiben, ohne Seev Feinberg auch nur ein einziges Pfund für das Wissen abzuverlangen, das ihn die Hälfte seines Wocheneinkommens gekostet hatte. Schließlich beugte sich Seev Feinberg zu Jakob Markowitz vor und fragte: »Sag mal, wie feucht war es dort?« Seev Feinbergs Schnauzer kitzelte Jakob Markowitz’ Wange, aber er wagte nicht, sich zu rühren. Noch nie hatte ihn jemand so lange angeschaut. Schließlich begriff er, dass er nicht länger zaudern konnte, und erwiderte: »Was meinst du damit?«
    »Was ich damit meine?« Seev Feinbergs Schnauzer peitschte Jakob Markowitz und ließ ihn zurückzucken. Seine blauen Augen weiteten sich in solcher Verblüffung, dass sie Jakob Markowitz um ein Haar mitsamt Jabotinskys Schriften verschlungen hätten. »Ich meine die Vagina, Kamerad. Wie feucht war die Vagina?« Bei Vernehmen des göttlichen Worts schwindelte es Jakob Markowitz, und er sank auf einen Felsblock. Seev Feinberg setzte sich neben ihn. »Dir ist doch hoffentlich klar, dass es unterschiedliche Feuchtigkeitsgrade gibt? Es gibt die Feuchten, und es gibt Tropfnasse, und es gibt welche – ei, ei, ei –, in denen du ertrinken kannst wie im Schwarzen Meer. Das hängt natürlich von der Ernährung des Mädels und vom Wetter ab, vor allem aber von der Leidenschaft, die zwischen dem Mann und der Frau entflammt.« Danach fragte Seev Feinberg erneut, wie feucht es dort gewesen sei, und Jakob Markowitz musste eingestehen, kein bisschen Feuchtigkeit festgestellt zu haben. »Gar nichts?« »Gar nichts. So trocken wie die Felder Ende August.« Nun schwieg Seev Feinberg eine lange Weile und sagte schließlich: »In diesem Fall, Kamerad, rate ich dir zu prüfen, ob sie keine anderen Männer hat. Du kennst sicher den Massenerhaltungssatz. Im menschlichen Körper gibt es eine begrenzte Menge an Flüssigkeiten, und ich fürchte, mein Freund, deine Frau dort in Haifa gibt sie im Beisein eines anderen Mannes ab.« Jakob Markowitz atmete erleichtert auf und erklärte, dass nun alles klar sei: Die Frau in Haifa habe erwähnt, er sei der Vierte an dem Abend gewesen, und in Kenntnis des Massenerhaltungssatzes erscheine es tatsächlich logisch, dort kein Wasser vorgefunden zu haben. Seev Feinberg brach in schallendes Gelächter aus, und Jakob Markowitz musste einstimmen. Er wusste nicht, warum er lachte, wollte es auch nicht wissen. Es war so angenehm, neben diesem Mann zu lachen, dessen Schnauzer die Jesreelebene bezauberte und dessen Lachen durchs ganze Land hallte. Wenn in Seev Feinbergs Lachen Spott mitschwang, so verklang er gleich, das Lachen jedenfalls hielt lange an. Er lachte und lachte, bis sich in seinem Schritt ein kleiner Fleck abzeichnete, und als er das merkte, lachte er noch mehr. Von jenem Abend an waren Jakob Markowitz und Seev Feinberg Freunde.
    Zwei Mal rettete Jakob Markowitz Seev Feinberg das Leben, und beide Male an ein und demselben Abend. Als er an dem Tag aus Haifa zurückkehrte, eilte er zum Wachstand, weil er zum ersten Mal im Leben ein Paar ungleich großer Brüste gesehen hatte. Während er noch überlegte, was Seev Feinberg wohl dazu sagen würde, entdeckte er einen geduckten Araber im Gebüsch, den Gewehrlauf auf einen wogenden Klumpen gerichtet, bei dem es sich vermutlich um Seev Feinberg auf einer Frau handelte. Es wäre verlockend zu sagen, dass Jakob Markowitz keinen Augenblick zögerte. Schließlich hatte er bis zu jenem Abend nur Waffen geschmuggelt und, abgesehen von den Ratten, denen er wegen der Flurschäden, die sie anrichteten, den Kopf zerschmetterte, noch nie ein Lebewesen getötet. Er überwand das Zittern in den Beinen, hob lautlos einen glatten, weißen Stein auf und schlug dem jungen Mann mit einem harten Schlag den Schädel ein. Ein Schuss zerriss das Dunkel der Nacht und das Trommelfell von Jakob Markowitz. Er tastete seinen Körper nach Verletzungen ab und stellte fest, dass
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