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Eine letzte Breitseite

Eine letzte Breitseite

Titel: Eine letzte Breitseite
Autoren: Alexander Kent
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London mitgebracht hatte. Es war ein sehr schönes Stück, ein Meisterwerk des Tischlers, wovon jede Fläche und jede Fuge zeugte.
    Er starrte den Schrank immer noch an, als Herrick, der die anderen Kommandanten zur Fallreepspforte begleitet hatte, zurückkam.
    »Das ging ja ganz gut«, sagte der Flaggkapitän mit einem kleinen Seufzer. Dann sah er den Schrank und stieß einen leisen Pfiff aus.
    »Das ist aber ein wunderschönes Stück!«
    »Ein Geschenk«, lächelte Bolitho, »und oft nützlicher als viele andere Geschenke, Thomas.«
    Herrick sah sich den Schrank genau an. »Ihr Neffe ist draußen, Sir«, sagte er dann. »Ich habe die Geschichte bereinigt. Er macht Extradienst, damit er nicht wieder auf dumme Gedanken kommt. Aber ich dachte, Sie würden ihn sprechen wollen.« Bewundernd strich Herrick über das polierte Holz. »Von wem haben Sie dieses schöne Stück, wenn ich fragen darf?«
    »Von Mrs. Pareja«, antwortete Bolitho. »Sie werden sich noch an sie erinnern.«
    Erstaunt sah er, wie ein Schleier über Herricks Augen fiel.
    »Jawohl, Sir«, erwiderte er knapp. »Sehr gut sogar.«
    »Was ist denn, Mann?«
    Herrick sah ihm offen ins Gesicht. »Jedesmal, wenn ein Schiff aus England kam, gab es Gerede – Klatsch, wenn Sie wollen. Zum Beispiel darüber, daß Sie mit dieser Dame in London eine Affäre hatten.«
    Verblüfft starrte Bolitho ihn an. »Mein Gott, Thomas, das sieht Ihnen aber gar nicht ähnlich.«
    Doch Herrick gab nicht auf. »Das war nämlich der Grund, we shalb Ihr Neffe mit dem anderen Leutnant die Waffen kreuzte. Einen
Ehrenhande
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nennt man das wohl.«
    Bolitho sah zur Seite. Und er hatte gedacht, es hätte etwas mit Adam Pascoes Herkunft zu tun gehabt, mit seinem toten Vater, dem Verräter und Renegaten.
    »Danke, daß Sie es mir gesagt haben.«
    »Einer mußte es ja tun, Sir.« Herricks blaue Augen blickten beschwörend. »Sie haben so viel für uns alle getan; ich will nicht, daß wegen einer…«
    »Ich habe Ihnen dafür gedankt, daß Sie es mir
gesag
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haben, Thomas. Nicht für Ihre Meinung über die Dame.«
    Herrick öffnete die Tür. »Ich rufe ihn herein, Sir.« Er sah sich nicht um.
    Bolitho setzte sich auf die Bank vor den Heckfenstern und beobachtete ein Fischerboot, das unter dem überhängenden Heck des Zweideckers durchfuhr. Mit ausdruckslosem Gesicht blickte der Fischer zu ihm empor. Wahrscheinlich stand er im Sold des spanischen Kommandeurs drüben in Algeciras, notierte die Namen der Schiffe und sammelte Bruchstücke von Informationen, aus denen sich etwas machen ließ.
    Die Tür ging auf; Adam Pascoe, den Hut vorschriftsmäßig unterm Arm, stand in der Kajüte.
    Bolitho erhob sich und schritt auf ihn zu; fast verspürte er selbst Schmerz, als er sah, daß der junge Mann den Arm etwas von den Rippen abhielt. Noch in der Leutnantsuniform sah Adam wie der schmächtige Junge aus, als der er zum erstenmal zu Bolitho an Bord gekommen war.
    »Willkommen an Bord, Sir«, sagte er.
    Bolitho vergaß die Last seiner neuen Verantwortung, seinen unseligen Zusammenstoß mit Herrick – alles außer diesem Jungen, der ihm so lieb geworden war wie ein Sohn.
    Er umarmte ihn und sagte: »Du hast Ärger gehabt, Adam. Tut mir leid, daß es meinetwegen war.«
    Pascoe sah ihn ernsthaft an. »Ich hätte ihn schon nicht getötet, Onkel.«
    Bolitho trat zurück und lächelte melancholisch. »Nein, Adam, aber vielleicht er dich. Achtzehn Jahre – das ist der Anfang, noch nicht das Ende.«
    Achselzuckend strich sich Pascoe das schwarze Haar aus der Stirn. »Der Kommandant hat mir genügend Extradienst dafür aufgebrummt. Was macht deine Verwundung, Onkel?«
    »Vergessen.« Bolitho führte ihn zu einem Stuhl. »Deine auch – eh?«
    Sie lächelten sich wie Verschwörer an, und Bolitho schenkte zwei Gläser Rotwein ein. Er bemerkte, daß Pascoes Haar nach der neuen Mode geschnitten war, ohne den Zopf im Nacken, wie ihn die meisten Seeoffiziere trugen. Wie mochte die Marine wohl erst aussehen, wenn sein Neffe eines Tages den Kommodorestander hißte?
    Pascoe nippte am Wein. »Es heißt, Nelson hätte den Befehl über dieses Geschwader gekriegt, wenn er nicht den Arm verloren hätte.«
    »Möglich«, lächelte Bolitho. In der Flotte gab es wenig Geheimnisse.
    Nachdenklich entgegnete Pascoe: »Eine große Ehre für dich, Onkel, aber…«
    »Aber was?«
    »Auch eine große Verantwortung.«
    Herrick erschien wieder in der Tür. »Darf ich fragen, Sir, wann die Kommandanten zum Essen an Bord kommen
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