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Eine letzte Breitseite

Eine letzte Breitseite

Titel: Eine letzte Breitseite
Autoren: Alexander Kent
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sollen?« Er blickte von einem zum anderen und war seltsam gerührt. Ungefähr zwanzig Jahre Altersunterschied, und doch sahen sie wie Brüder aus.
    »Das überlasse ich Ihnen«, antwortete Bolitho.
    Als Herrick gegangen war, fragte Adam unverblümt: »Stimmt etwas nicht zwischen dir und Kapitän Herrick, Onkel?«
    Bolitho legte ihm die Hand auf den Arm. »Nichts kann unsere Freundschaft trüben, Adam.«
    »Das freut mich«, sagte Pascoe erleichtert.
    Bolitho griff nach der Karaffe. »Und jetzt erzähl mir, was du inzwischen gemacht hast.«

Ei n bescheidene r Anfang
    Ruhelos die ihm noch ungewohnten Möbelstücke betastend, wanderte Bolitho in der Kajüte umher. Um ihn und über ihm knarrten und stöhnten die siebzehnhundert Tonnen Planken und Spieren, Kanonen und Menschen unter dem Druck des auffrischenden Nordwestwindes.
    Widerstrebend versagte er es sich, mit einem Blick aus dem Fe nster zu kontrollieren, wie weit die anderen Schiffe des Geschwaders mit den Vorbereitungen zum Ankerlichten waren. Er hörte ab und zu einen Ruf, dem das Trappeln nackter Füße folgte – Matrosen rannten hierhin und dorthin, um im letzten Augenblick noch etwas in Ordnung zu bringen. Er konnte sich vorstellen, daß sich Herrick ebenso über jede Verzögerung ärgerte. Dennoch blieb ihm nichts weiter übrig, als ihn auf seinem Achterdeck in Ruhe zu lassen.
    Als Kommandant war Bolitho mit Schiffen aller Art und unter den verschiedensten Bedingungen ankeraufgegangen. Von der flinken Schaluppe bis zum turmhohen Dreidecker
Euryalus
,

auf dem er Flaggkapitän gewesen war, hatte er auf jedem Schiffstyp die spannungsgeladenen Minuten vor dem Loskommen des Ankers durchlebt.
    Für Herrick mußte es ebenso schlimm sein, wenn nicht noch schlimmer. Wenn der Kommandant auf dem Achterdeck stand, hoch über dem ganzen Getriebe, vor jeder Kritik durch seine Autorität und seine glänzenden Epauletten geschützt, mochte ein unbeteiligter Zuschauer irrtümlicherweise glauben, er stünde über allen menschlichen Ängsten und Gefühlen.
    So war es Bolitho als Midshipman vorgekommen, auch noch als jungem Leutnant: Ein Kommandant mußte ein gottähnliches Wesen sein. Er lebte unerreichbar in seiner Heck-Kajüte, und vor seinem Stirnrunzeln zitterte jeder gewöhnliche Offizier oder Matrose.
    Aber jetzt wußte Bolitho es besser, genau wie Herrick. Je größer die Verantwortung, um so größer zwar die Ehre. Aber wenn etwas schiefging, dann fiel man um so tiefer, je höher man stand.
    Allday kam herein, sich die großen Hände reibend. Auf seinem blauen Jackett glänzten Tropfen von Sprühwasser, und die Erregung leuchtete ihm aus den Augen. Bolitho spürte es auch selbst: Endlich ließen sie das Land hinter sich – wie ein Jäger, der aufbricht, sich mit dem Unbekannten zu messen, weil er muß, der aber nie weiß, ob es nicht das letzte Mal ist.
    »Die Mannschaft arbeitet ganz gut, Sir«, grinste der Bootsführer.
    »Ich war eben oben und habe Ihre Gig kontrolliert. Ganz nette Brise aus Nordwest. Großartig werden wir aussehen, wenn das Geschwader erst vom Felsen klarkommt.«
    Nervös fuhr Bolitho zusammen und horchte mit schiefem Kopf: ein Rasseln oben an Deck, etwas schleifte über die Planken, und eine grobe Stimme brüllte: »Beleg die Leine da, du Saukerl!«
    Er biß sich auf die Lippen. Da ging doch alles mögliche schief! Allday musterte ihn nachdenklich. »Captain Herrick kommt schon klar, Sir.«
    »Weiß ich.« Bolitho nickte, als wolle er seine Überzeugung besiegeln. »Das weiß ich doch.«
    »Auf ihn können Sie sich verlassen.«
    Allday nahm den Degen von der Schottwand und wartete darauf, daß Bolitho die Arme hob, damit er ihm das Koppel umschnallen konnte. »Immer noch der alte«, sagte er leise und berührte den abgewetzten Griff. »Wir sind schon einige Meilen zusammen gesegelt.«
    »Aye«, stimmte Bolitho ernst zu und ließ die Finger über die Parierstange gleiten. »Ich glaube, der macht’s noch länger als wir beide.«
    Allday grinste übers ganze Gesicht. »So ist’s schon besser, Sir! Jetzt reden Sie wieder, wie es sich für einen Flaggoffizier gehört.«
    Lautlos ging die Tür auf, und Herrick, Hut unterm Arm, trat ein.
    »Geschwader klar zum Ankerlichten, Sir.« Er sprach ganz gelassen.
    »Alle Anker sind kurzstag gehievt.«
    »Danke, Captain Herrick«, antwortete Bolitho in dienstlichem Ton. »Ich komme gleich an Deck.«
    Herrick eilte wieder hinaus; man hörte ihn die Leiter zur Kampanje über der Achterkajüte hinaufsteigen.
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