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Eine Lady zu gewinnen ...

Eine Lady zu gewinnen ...

Titel: Eine Lady zu gewinnen ...
Autoren: Sabrina Jeffries
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du nicht erwarten. Alles hängt vom Schicksal ab, und niemand weiß, was das Schicksal als Nächstes bringt.«
    Jarret weinte immer noch nicht, obwohl dunkle Ringe unter seinen Augen lagen und sein Gesicht einen seltsam verzerrten Ausdruck angenommen hatte, so, als hätte ihm gerade jemand heftig auf den Fuß getreten. Gabe hatte Jarret immer am liebsten von allen gemocht, aber jetzt hasste er ihn. Weil er so ruhig war. Warum war sein Bruder nicht wütend?
    »Wir müssen stark sein«, fuhr Jarret fort.
    »Warum?«, brach es aus Gabe heraus. »Was ändert das? Sie sind trotzdem tot, und wir sind trotzdem ganz allein.«
    »Ja, aber wenn du dich vom Schicksal überwältigen lässt, dann zwingt es dich zu Boden. Du darfst dich nicht einschüchtern lassen. Lach ihm ins Gesicht und sag ihm, es soll sich zur Hölle scheren. Nur so kann man ihm beikommen.«
    Nicht das Leben war sinnlos, sondern der Tod. Er riss die Menschen aus dem Leben, einfach so, ohne Grund. Mutter hätte Vater nicht erschießen dürfen, und die Dohle hätte Herrn Rotkehl nicht erschießen dürfen. Aber tot waren sie trotzdem alle. Auch ihn konnte der Tod einfach so aus dem Leben reißen, ohne Vorwarnung. Eine eisige Furcht stieg in ihm auf. Er konnte jeden Moment sterben. Einfach so.
    Was konnte er dagegen tun? Der Tod gehörte offenbar zu diesen Mistkerlen, die sich von hinten anschlichen und einen ohne Vorwarnung in den Schwitzkasten nahmen. Vielleicht schlich er sich in diesem Augenblick schon an ihn heran …
    Aber vielleicht hatte Jarret recht. Man musste dem Tod die Stirn bieten – oder ihn einfach ignorieren. Gabe hatte schon mit einem ganzen Haufen von hinterlistigen Mistkerlen zu tun gehabt, und die einzige Chance, die man gegen sie hatte, war, sich nicht einschüchtern und sich nicht anmerken zu lassen, dass sie einem wehtaten. Dann ließen sie einen in Ruhe, um jemand anderen zu tyrannisieren.
    Er dachte an Mutter und Vater, wie sie irgendwo tot dalagen, und Tränen schossen ihm in die Augen. Mit einer heftigen Bewegung wischte er sie weg und schob die Unterlippe vor. Vielleicht würde ihn der Tod kriegen, so wie er Mutter und Vater gekriegt hatte, aber er würde sich nicht kampflos ergeben.
    Wenn der Tod ihn haben wollte, würde er kein leichtes Opfer sein. Er würde sich mit Händen und Füßen wehren.

1
    Eastcote, August 1825
    Virginia Waverly konnte ihre Aufregung kaum bezähmen, während die Kutsche auf Marsbury House zuraste. Ein Ball! Zum ersten Mal in ihrem Leben würde sie auf einen Ball gehen. Jetzt würde sie endlich Gelegenheit haben, die Walzerschritte auszuprobieren, die ihr Cousin Pierce Waverly, der Graf von Devonmont, ihr beigebracht hatte.
    Für einen Moment gab sie sich der herrlichen Vorstellung hin, wie sie in den Armen eines gut aussehenden Kavallerieoffiziers durch den Saal schwebte. Oder vielleicht würde sogar der Gastgeber selbst, der Herzog von Lyons, sie zum Tanz auffordern! Wäre das nicht grandios? Sie wusste, was die Leute über seinen Vater erzählten – sie nannten ihn »den verrückten Herzog« –, aber sie pflegte solchem Gerede keine Beachtung zu schenken.
    Wenn sie nur ein modischeres Kleid gehabt hätte – so wie das aus rosafarbener neapolitanischer Seide, das sie im Lady’s Magazine gesehen hatte. Aber modische Kleider waren kostspielig, und darum musste sie mit diesem alten Fetzen aus Tartanstoff vorliebnehmen, der aus einer Zeit stammte, als Schottenmuster der letzte Schrei gewesen waren. Hätte sie doch nur etwas weniger Auffälliges zum Umarbeiten ausgesucht. Jeder würde auf den ersten Blick sehen, wie arm sie war.
    »Du siehst besorgt aus«, bemerkte Pierce.
    Virginia blickte ihn überrascht an. So viel Feingefühl hatte sie von ihm nicht erwartet. »Nur ein bisschen. Ich habe versucht, das Kleid mit einem Tüllüberwurf ein bisschen flotter zu machen, aber die Ärmel sind immer noch zu kurz, und jetzt sieht es aus wie ein Kleid von vorgestern mit komischen Ärmeln.«
    »Nein, ich meinte …«
    »Aber bestimmt wird man mich deshalb nicht schief ansehen.« Sie schob herausfordernd das Kinn vor. »Und wenn doch, dann ist es mir auch egal. Ich bin wahrscheinlich die einzige Frau, die mit zwanzig noch nie auf einem Ball war. Selbst die Tochter des Farmers von nebenan war schon mal auf einem, in Bath, und sie ist erst achtzehn!«
    »Was ich sagen wollte …«
    »Jedenfalls werden mich weder mein Kleid noch die Tatsache, dass ich noch nie getanzt habe, davon abhalten, mich zu amüsieren«, sagte
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