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Eine kurze Geschichte der Menschheit (German Edition)

Eine kurze Geschichte der Menschheit (German Edition)

Titel: Eine kurze Geschichte der Menschheit (German Edition)
Autoren: Yuval Noah Harari
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befinden. Eine Frau mit einem durchschnittlichen Glücksniveau von 5 wird vermutlich nie durch die Straßen tanzen. Aber mit einer guten Ehe kommt sie hin und wieder auf die Zufriedenheit von Niveau 7 und vermeidet die Verzweiflung von Niveau 3.
    Wenn die Biologie mit ihrem Glücksverständnis Recht hat, dann spielt die Geschichte bestenfalls eine untergeordnete Rolle, da sich die wenigsten historischen Ereignisse direkt auf unsere Biochemie auswirken. Die Geschichte hat zwar Einfluss auf die äußeren Reize, die den Serotoninausstoß in unserem Gehirn bewirken, doch sie hat keine Auswirkungen auf den Serotoninspiegel an sich und kann uns daher nicht glücklicher machen.
    Vergleichen wir einen Bauern aus dem Frankreich des Mittelalters mit einem Börsenhändler aus dem Paris von heute. Der Bauer lebte in einer unbeheizten Holzhütte mit Blick auf den Schweinestall, während es sich der Börsenhändler abends in seinem luxuriösen Penthouse mit Blick auf die Champs-Élysées bequem macht. Wir würden vermutlich automatisch schließen, dass der Börsenhändler glücklicher ist als der Bauer. Doch das Glück der beiden entsteht im Gehirn, und das Gehirn weiß nichts von Holzhütten, Penthouses und Champs-Élysées. Das Einzige, was das Gehirn kennt, sind Serotoninspiegel. Als der Bauer seine Lehmhütte fertigstellte, schütteten bestimmte Drüsen in seinem Gehirn eine gewisse Menge Serotonin aus. Und als der Börsenhändler die letzte Rate für sein wunderbares Penthouse hinblätterte, schütteten dieselben Drüsen in seinem Gehirn vermutlich eine ähnliche Menge Serotonin aus. Das Gehirn hat keine Ahnung, dass das Penthouse bequemer ist als eine Lehmhütte. Es weiß nur, dass im Moment eine bestimmte Menge Serotonin durch seine Neuronen strömt. Der Börsenhändler ist also kein bisschen glücklicher als sein Urahn, der arme Bauer aus dem Mittelalter.
    Das trifft nicht nur auf Ereignisse in unserem Privatleben zu, sondern auch auf die großen kollektiven Ereignisse. Nehmen wir zum Beispiel die Französische Revolution. Die Revolutionäre waren eifrig damit beschäftigt, den König hinzurichten, das Land an die Bauern zu verteilen, die Menschenrechte zu verkünden, die Privilegien der Adeligen abzuschaffen und ganz Europa zu bekriegen. Dies hatte jedoch nicht die geringsten Auswirkungen auf die französische Biochemie. Das heißt, trotz aller politischer, gesellschaftlicher, ideologischer und wirtschaftlicher Umwälzungen hatte die Französische Revolution kaum Auswirkungen auf das Glück der Franzosen. Wem die genetische Lotterie ein sonniges Gemüt zugelost hatte, der war nach der Revolution genauso zufrieden wie vorher. Und wer eine depressive Biochemie mitbekommen hatte, der meckerte mit derselben Verbitterung über Robespierre und Napoleon wie zuvor über Ludwig XVI. und Marie Antoinette.
    Aber was hat die Französische Revolution dann eigentlich gebracht? Was war denn der Sinn der ganzen Auseinandersetzungen, Diskussionen, Konflikte und Tode, wenn sie die Menschen nicht glücklicher gemacht haben? Biologen hätten sich vermutlich nicht an der Erstürmung der Bastille beteiligt. Wir sind überzeugt, dass wir durch Revolutionen oder Reformen glücklich werden, doch die Biochemie holt uns jedes Mal wieder auf den Boden zurück.
    Es gibt nur eine einzige historische Entwicklung, die wirklich Auswirkungen auf unser Glücksempfinden hat. Jetzt, da wir wissen, dass unser biochemisches System den Schlüssel zu unserem Glück in der Hand hält, müssen wir unsere Zeit nicht mehr mit Politik und gesellschaftlichen Reformen, Revolutionen und Ideologien vergeuden, sondern können uns auf die eine Sache konzentrieren, die uns wirklich glücklich macht: die Manipulation unserer Biochemie. Wenn wir Milliarden investieren, um unsere biochemischen Codes zu knacken und entsprechende Behandlungsmethoden entwickeln, können wir die Menschheit wirklich beglücken, und zwar ganz ohne jede Revolution. Prozac stürzt keine Regierungen, aber indem es den Serotonenspiegel im Gehirn anhebt, befreit es Menschen aus der Depression.
    Nichts trifft diese biologische Argumentation besser als das New-Age-Schlagwort »das Glück kommt von innen«. Geld, Status, Schönheitsoperationen, Luxusvillen, Macht, Einfluss – das alles macht uns nicht glücklich. Wahres Glück kommt tatsächlich nur von innen – von Serotonin, Dopamin und Oxytocin. 116
    In Aldous Huxleys Roman Schöne neue Welt aus dem Jahr 1932 funktioniert die Politik nicht mehr über
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