Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine Klasse für sich

Eine Klasse für sich

Titel: Eine Klasse für sich
Autoren: Julian Fellowes
Vom Netzwerk:
verantwortlich, aber sie wollten nur mein Bestes.« Sie sah mein Gesicht. »Na schön, sie glaubten, ihr Bestes sei auch mein Bestes.« Sie zögerte. »Und ich hatte es satt, hin und her gezerrt zu werden, aber …« Ihr Seufzer war fast ein Stöhnen, ich spürte den Luftzug ihres Atems. »Wären wir heute jung, dann würde ich natürlich mit ihm gehen. Ich hätte gehen
sollen. Ich hätte es tun sollen, aber im entscheidenden Moment verließ mich der Mut. Damian ist nur zur Hälfte daran schuld, dass wir unser Leben so vertan haben. Die andere Hälfte der Schuld trage ich.«
    »Und später an diesem Abend?«
    Sie lächelte beinahe bei der Erinnerung. »Wir waren in das Haus zurückgekehrt, das wir gemietet hatten. Es lag ganz in der Nähe. Natürlich waren wir alle noch aufgewühlt, gossen uns Riesendrinks ein, sogar Lady B., und verschwanden in die zahlreichen Bäder, um uns den Fisch abzuwaschen, ich auch. Dann breitete sich Erschöpfung aus. Aber als Andrew zu Bett ging, behauptete ich, ich sei nicht müde und wolle noch aufbleiben. Ich wartete, bis ich sicher war, dass er schlief. Dann bin ich zurückgelaufen.«
    »Zu Fuß? Mitten in der Nacht?«
    »Unglaublich, nicht? Das würde man heute nicht mehr machen. Oder vielleicht doch, wenn man jung, verliebt und verzweifelt ist. Manches ändert sich womöglich nie. Ich wusste, wo Damians Zimmer war, wir hatten ja weiß Gott alle gesehen, wie er hineinstolzierte. Ich weiß nicht, was ich getan hätte, wenn die Tür verschlossen gewesen wäre.
    »Du hättest ihn geweckt.«
    »Ja. Vermutlich. Aber sie war offen, also schlich ich hinein, stieg zu ihm ins Bett und liebte ihn im Stockdunkeln. Ich wusste, es war das letzte Mal. Nach einer Weile wachte er auf, aber nur halb. Das war mir egal. Ich verabschiedete mich von dem Leben, das ich hätte haben sollen. Eigentlich war es ein ganz privater Augenblick, nur für mich.«
    »Aber warum das letzte Mal? Auch wenn du dich nicht scheiden lassen wolltest, hättest du die Affäre doch fortsetzen können.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Ich hätte nicht seine Geliebte sein können. Mich angeblich mit Freundinnen in London zum Lunch verabreden und dann so tun, als hätte ich den Zug versäumt — das war nichts für uns. Das wurde uns nicht gerecht. Wir hätten ein Paar werden sollen, das der ganzen Welt trotzt und jeden in die Flucht schlägt, der sich uns in den Weg stellt. Wir waren keine Hintertreppennummer,
gezwungen, den Hörer aufzulegen, falls der Ehemann abhebt. Auf gar keinen Fall. Sobald ich beschlossen hatte, Andrew nicht zu verlassen, war es vorbei.«
    »Ich hoffe, Andrew ahnt zumindest, was er dir verdankt.«
    »Nein. Würde er etwas ahnen, wäre alles für ihn verdorben, also ist das sinnlos. Aber zurück zu dieser Nacht: Ich bin aufgestanden, habe mich angezogen und bin gegangen. Dann habe ich Damian nie wiedergesehen. Ende, aus, amen.«
    »Woher wusstest du, dass Peniston von ihm ist? Vermutlich ist Andrew doch dann und wann in Aktion getreten.«
    »Eine etwas unglückliche Formulierung.« Dann lächelte sie, zärtlich diesmal, als sie an ihren Sohn dachte, das Kind der Liebe. »Ich wusste es, weil er Damian so ähnlich sah, als er auf die Welt kam. Damit war es nach knapp zwei Jahren vorbei. Es gibt doch diese Theorie, dass Neugeborene ihren Vätern ähneln, damit sie gut versorgt werden? Peniston hatte seine Nase, seine Augen … ich habe Gott gedankt, dass es niemand bemerkt hat. Obwohl meine Mutter ihn ganz am Anfang einmal sehr merkwürdig angesehen hat. Aber ich habe es immer gewusst.«
    »Warum hast du den Brief geschrieben?«
    »Ich weiß nicht. Aus Selbstmitleid? Andrew war noch ungenießbarer als üblich, deshalb bin ich nach London gefahren, um den Rest der Weihnachtseinkäufe allein zu erledigen. Außerdem war ich betrunken. Keine Ahnung, warum ich den Brief überhaupt geschrieben habe. Ich hätte ihn am nächsten Tag sicher nicht eingeworfen, aber jemand hat die Briefe vom Dielentisch genommen, bevor ich aufgestanden bin, und weg war er.«
    Ich lachte. »Genau, was Damian vermutet hat.«
    Jetzt wurde sie ernst. »Wie geht es nun weiter?« »Ich werde es Damian sagen. Er wird sein Testament ändern. Dein Sohn ist sehr, sehr reich. Das Haus Belton wird in neuem Glanz erstrahlen.«
    »Irgendwann.«
    »Ich kann dir versichern, dass Peniston nicht lange zu warten braucht.« Mir fiel noch eine Kleinigkeit ein, die wir wohl einhalten
sollten. »Wahrscheinlich müssen wir einen Gentest machen. Hättest du
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher