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Eine Klasse für sich

Eine Klasse für sich

Titel: Eine Klasse für sich
Autoren: Julian Fellowes
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gelaufen.«
    »Das stimmt auch. Im Sommer 1969. Es tat mir sehr leid für ihn, wie die Sache mit Serena endete, und als sie die Einladungen zu ihrer Hochzeit verschickte, habe ich ihn besucht, weil ich sehen wollte, wie er damit fertig wird. Danach haben wir uns ein paarmal getroffen. Aber dann verlor ich ihn aus den Augen. Ein Jahr später habe ich dich vorgeschoben, um ihn nach Portugal zu locken. Ich war mir nicht ganz sicher, ob er wieder von mir hören wollte, auch wenn ich jetzt glaube, dass ich mir da keine Sorgen hätte zu machen brauchen.«
    »Aber du hast doch in dieser Nacht mit ihm geschlafen.«
    »In welcher Nacht?«
    »Als Damian durchdrehte und uns alle in Fischragout marinierte. Du erinnerst dich doch, oder?«
    »Du machst wohl Witze! Natürlich erinnere mich. Wer könnte das vergessen? Aber ich habe nicht mit ihm geschlafen.«
    »Er ist mitten in der Nacht aufgewacht und da lagst du neben ihm im Bett.«
    »Und das hast du nicht aus einem Schundroman, den du unterm Ladentisch gekauft hast?«
    »Du hast in seinem Zimmer einen Zettel hinterlassen, auf dem stand, dass du ihn liebst.«
    Da stutzte sie, überlegte angestrengt. Dann nickte sie heftig. »Stimmt! Ich dachte, er muss sich schrecklich fühlen, nachdem er uns dermaßen terrorisiert hatte, und habe etwas auf einen Zettel gekritzelt
… was, weiß ich nicht mehr. ›Ich verzeihe dir‹ oder so …«
    »›Ich liebe dich immer noch.‹«
    »Tatsächlich? Egal, etwas in der Art. Und bevor ich ins Bett ging, habe ich ihm den Zettel unter der Tür durchgeschoben.«
    »Und du hast ganz bestimmt nicht mit ihm geschlafen?«
    Fast wurde sie ungehalten. »Na, hör mal! Ich weiß wohl, dass ich zu meiner Zeit eine ziemliche Schlampe war, aber ich glaube, ich könnte mich erinnern, wenn ich an diesem grauenvollen Abend zu Damian ins Bett gehüpft wäre. Da sind mir noch banalere Einzelheiten im Gedächtnis!«
    »Gut.« Ich starrte meine Tasse an. Musste ich wieder von vorne anfangen? Das war doch nicht möglich!
    Was ich erzählt hatte, ging Candida immer noch im Kopf herum. »Er ist aufgewacht, und eine Frau lag in seinem Bett und hat mit ihm rumgemacht?« Ich nickte. Da warf sie den Kopf zurück und lachte aus vollem Hals. »Das sieht ihm ähnlich! Am absoluten Tiefpunkt seines Lebens findet er sich plötzlich mitten in einem James-Bond-Film wieder.« Ihre Heiterkeit verebbte zu einem leisen Kichern.
    »Aber du warst es nicht.«
    »Ich kann dir versichern, dass ich mich daran erinnern würde, hätte ich solche Gewohnheiten gepflegt.«
    Da wurde es mir schlagartig klar.

    Lady Belton befinde sich in den oberen Gemächern, sei aber entzückt, mich zu sehen, wenn es mir nichts ausmache, im Frühstückszimmer zu warten. Lady Belton pflegte anscheinend dortselbst ihren Tee einzunehmen, so unlogisch mir das auch vorkam. Auch ich tat mein Entzücken kund.
    Das Frühstückszimmer war einer der hübscheren Räume auf Waverly, eher gemütlich als repräsentativ, aber mit echten Schmuckstücken ausgestattet: einigen der besten Gemälde aus dem Familienbesitz und einem wirklich schönen Damenschreibtisch von John Linnell. Offenbar wurde er von Serena benutzt, da er mit Briefen und Einladungen überhäuft war, die auf Antwort warteten. Die nette Frau aus dem Dorf, die mich hereingelassen hatte, brachte gerade
den Tee, als Serena eintrat. »Besten Dank, Mrs. Burnish.« Sie hatte bereits den etwas herzlosen Charme der großen Dame angenommen, der nicht etwa einer besonderen Sympathie für das Personal entspringt, sondern guten Service sichern soll. An Serenas Auftreten, ihren Kleidern, ja sogar an ihrem Lächeln las ich ab, dass sie auf dem besten Weg war, sich zu einer grande dame alten Stils zu entwickeln. »Wie schön, dich schon so bald wiederzusehen«, begrüßte sie mich und küsste mich auf beide Wangen. Unsere letzte Begegnung, die im Bett stattgefunden hatte, eine so leidenschaftliche Liebesbegegnung, wie ich sie noch nie erlebt hatte, wurde durch ihr Verhalten und ihren Ton auf nicht genau zu fassende Weise weggesperrt, in sichere Entfernung geschoben. Serena begegnete mir freundlich, sogar herzlich, stellte aber klar, dass sich das Ereignis niemals wiederholen würde.
    »Du weißt doch sicher, warum ich hier bin.«
    Sie hatte sich etwas Tee eingegossen, saß jetzt da und strich sorgfältig ihre Rockfalten glatt. Sie nahm einen Schluck, dann sah sie mich an und lächelte scheu. »Natürlich weiß ich es. Candida hat mich angerufen und mir von eurem Gespräch
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