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Eine Klasse für sich

Eine Klasse für sich

Titel: Eine Klasse für sich
Autoren: Julian Fellowes
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passiert.« Sie seufzte auf und verstummte. Fröstelte plötzlich, sah hoch und fing meinen Blick auf. Wir saßen einen Moment schweigend da, bis Serena munter fragte: »Möchtest du noch Tee?«
    »Bitte.« Ich hielt ihr meine Tasse entgegen.
    Sie berichtete weiter. »Also habe ich geheiratet und wurde schnell schwanger, und solche Dinge sind ganz schön aufregend, kann ich dir sagen, es gibt wahnsinnig viel zu tun und anzuschaffen, und wahnsinnig viele Leute machen einen wahnsinnigen Wirbel, da habe ich eine Weile vergessen, wie unglücklich ich war. Nach Marys Geburt hat mich Candida besucht, und wir kamen ins Reden. Sie sagte etwas wie, mit Damian hätte es ja doch nicht geklappt, nicht, wenn meine Eltern dermaßen gegen ihn waren. Aber ich hatte gar nicht gewusst, dass sie ›dermaßen gegen ihn‹ waren. Dass sie nicht sonderlich
für ihn waren, war nicht schwer zu erraten, das wurde mir schon nach dem Dinner klar. Aber sie hatten doch gar keine Gelegenheit gehabt, sich eine fundierte Meinung über ihn zu bilden. Schließlich hat er mich abserviert, bevor sie ihn richtig kennenlernen konnten. Und dann erfuhr ich von Candida, was vor dem Ball abgelaufen war. Weißt du das auch?« Ich nickte.
    Ich merkte es Serena an, dass sie immer zorniger wurde. Auch wenn ihre ganze Erziehung darauf angelegt war, solche Gefühle unter Verschluss zu halten, konnte sie nicht verhindern, dass etwas von ihrer Rage durchsickerte. Sie stellte ihre Tasse ab, stand auf und hantierte nervös mit den Nippesfiguren und Einladungen auf dem Kaminsims herum. »Je mehr ich darüber nachdachte, desto wütender wurde ich. Was hatten sie mir angetan! Jetzt begriff ich, warum ich so schnell mit Andrew verkuppelt worden war. Schließlich kam ich zu dem Schluss, dass ich Damian wiedersehen musste. Unbedingt.« Sie atmete schwer. Sicher hatte sie dieses Minenfeld eine ganze Weile nicht betreten. »Was dann geschah, weißt du ja.«
    »Richtig.«
    »Natürlich hätte ich den Urlaub absagen sollen, sobald sich meine Eltern und erst recht meine Schwiegermutter aufgedrängt hatten. Aber ich wünschte mir so verzweifelt, ihn noch einmal zu sehen, seine Hand zu berühren, seinen Geruch einzuatmen, dass ich es nicht getan habe. Im Nachhinein vermute ich, dass sie etwas ahnten.«
    »Klingt jedenfalls danach.«
    »Aber als ich erfahren hatte, dass du ihn mitbringst, ging ein Rückzug einfach über meine Kräfte. Ich schaffte es nicht, auch wenn ich es im Grunde besser wusste. Als wir an diesem Abend bei eurer Villa ankamen, sind wir doch am Strand spazieren gegangen. Da habe ich noch einmal nachgefragt, und er gab zu, dass alles, was er auf dem Ball gesagt hatte, erlogen war. Dass er mich liebe und immer lieben werde. Und ich habe geantwortet, wenn er mir die Wahrheit gesagt und nicht gelogen hätte, dann wäre ich noch in derselben Nacht mit ihm auf und davon. Ich hätte gepackt, wäre gegangen und hätte ihn an meinem einundzwanzigsten Geburtstag augenblicklich geheiratet,
und dann wären wir den Rest unseres Lebens zusammen gewesen. Darauf erwiderte er, er glaube, er habe das Richtige getan. Das sei das einzig Mögliche, das einzig Anständige gewesen. Eine Frage der Ehre.«
    »Das stimmt auch.«
    Sie wandte sich mir zu, ihre Augen blitzten vor Zorn. »Tatsächlich? Dann zum Teufel mit der Ehre! Mit seiner Scheißehre! Seine Motive sind mir egal. Mit seinen Lügen hat er unser ganzes Leben ruiniert!«
    »Das also war die ›Falschheit‹, die du in deinem Brief erwähnt hast. Ich dachte an etwas anderes.«
    Sie runzelte die Stirn und überlegte. »Ach, du meinst ein Liebesversprechen, um mich ins Bett zu kriegen?«
    »Ja.«
    »Bei ihm war es umgekehrt. Er hat Gleichgültigkeit geheuchelt. Das war die Lüge.«
    »Warum hast du Andrew nicht verlassen? Als du das erfahren hast?«
    Serenas Zorn sank in sich zusammen. »Das war meine Schwäche«, sagte sie traurig. »Das war die Schwäche, von der ich geschrieben habe.« Sie kehrte zu ihrem Sessel zurück und setzte sich wieder. »Das hat mich Damian auch gefragt. Er sagte, wenn ich wirklich so für ihn empfände, sei das die einzig mögliche Lösung. Er hat mich angefleht. Aber das war in einer anderen Zeit mit anderen Sitten. Ich hatte ein Baby. Ich war von der Familie praktisch umzingelt. Ich hätte einen gewaltigen Skandal ausgelöst, auch noch 1970. Meine Eltern waren zwar in gewisser Weise für meine Misere verantwortlich …«
    »In gewisser Weise?«
    Sie nickte. »Na schön. Sie waren dafür
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