Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine Kiste explodierender Mangos

Eine Kiste explodierender Mangos

Titel: Eine Kiste explodierender Mangos
Autoren: Mohammed Hanif
Vom Netzwerk:
werde.
    â€žSie sind die Crème de la Crème der Nation“, beginnt er kopfschüttelnd. „Sie waren der Stolz unserer Akademie. Gerade habe ich Sie für das Sword of Honour vorgeschlagen. Sie werden es vom Präsidenten von Pakistan erhalten. Sie haben jetzt zwei Möglichkeiten: Sie werden in vier Wochen ehrenhaft entlassen oder Sie vollführen zum Klang der Trommeln ein paar Rollen vorwärts. Morgen. Klatsch. Klatsch. Tony-Singh-Stil.“ Er klatscht zweimal in die Hände wie diese indischen Komparsen in einer Qavvali -Szene.

    G enau das hatten sie mit Tony Singh gemacht, als das arme Schwein entlassen wurde. Mir war nie ganz klar, was zum Teufel Tony Singh überhaupt in der Luftwaffe der Islamischen Republik zu suchen hatte. Vor meiner Begegnung mit Sir Tony, wie wir ihn anzureden hatten, da er sechs Semester über uns war, war der einzige Tony, den ich je gekannt hatte, der Hund unseres Nachbarn, und der einzige Singh, den ich je zu Gesicht bekommen hatte, war ein einäugiger Maharadscha in meinem Geschichtsbuch gewesen, der vor ein paar hundert Jahren den Pandschab regiert hatte. Ich hatte geglaubt, mit der Teilung hätten sich alle Tonys und Singhs erledigt, doch offenbar hatten einige die Botschaft nicht verstanden.
    Tony Singh verstand sie nicht einmal dann, als man ein Transistorradio in seiner Stube fand und ihn der Spionage bezichtigte. Top of the Pops , lautete seine Verteidigung. Die Anklage wurde auf „eines Offiziers unwürdiges Benehmen“ abgemildert, aber ausgestoßen wurde er trotzdem.
    Ein einsamer Trommler – ein Unteroffizier, der, nachdem er sein ganzes Leben lang die größte Trommel in der Kapelle der Akademie getragen hatte, große Ähnlichkeit mit ihr hatte – marschierte voraus: tam, tam, taratatam. Über tausend von uns säumten beide Seiten der Eagles Avenue, die vom Wachlokal zum Haupttor führt.
    â€žRührt euch!“, kam der Befehl.
    Tony Singh erschien vor dem Wachlokal, wo er einige Nächte in genau dieser Zelle hier verbracht hatte. Sein Kopf war rasiert, aber er trug noch immer seine Uniform. Hoch aufgerichtet stand er da und weigerte sich, zu Boden oder zur Seite zu blicken.
    â€žKlatscht!“, erging der Befehl.
    Wir begannen langsam zu klatschen. Der 2. OIC nahm Tony den Gürtel ab und riss ihm die Rangabzeichen von den Schulterklappen, dann trat er einen Schritt nach vorn und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Sir Tony ging auf die Knie, legte beide Hände vor sich auf die Erde und machte eine Rolle vorwärts, ohne dass sein rasierter Kopf den Boden berührte. Der Trottel war selbst dann noch stolz, wenn sein Arsch in den Himmel ragte.
    Tonys Weg vollzog sich in schmerzhafter Langsamkeit. Nach einer Weile wurde das Schlagen der Trommel unerträglich. Einige Kadetten klatschten mit größerer Begeisterung als andere.
    Ich warf einen Blick zur Seite und sah, dass Obaid Mühe hatte, die Tränen zurückzuhalten.

    â€ž S ir, ich schwöre bei Gott, ich habe keine Ahnung, wo Kadett Obaid sich befindet“, sage ich, ein Balanceakt auf der trügerischen Linie zwischen Speichelleckerei und dem Wunsch, ihm ins Gesicht zu spucken.
    Der 2. OIC will nach Hause, wo ihn ein Abend häuslicher Gewalt und Baywatch erwarten. Er fuchtelt mir mit dem Protokoll vor der Nase herum. „Sie haben eine Nacht, um hierüber nachzudenken. Morgen geht es an den Kommandanten, und das Einzige, das er mehr hasst als das Verschwinden seiner Männer, sind oberschlaue Mitwisser. Er freut sich auf den Besuch des Präsidenten. Wir alle freuen uns darauf. Versauen Sie es nicht.“
    Er wendet sich zum Gehen. Ich lasse meinen Oberkörper nach vorne sinken. Er legt eine Hand an die Türklinke und dreht sich um; ruckartig richte ich mich wieder auf. „Ich habe Ihren Vater einmal gesehen. Er war ein verdammt guter Soldat. Schauen Sie sich an.“ Ein hinterhältiges Grinsen tritt auf seine Lippen. „Ihr Jungs aus den Bergen habt immer Glück, weil ihr keine Haare im Gesicht habt.“
    Ich salutiere, während ich unter Aufbietung aller Kräfte meine im Silent Drill geübte innere Stimme sagen lasse: Fick auch deine Mutter.
    Einen Moment überlege ich, wie sich Obaid in dieser Zelle verhalten würde. Am meisten würde ihn der Geruch stören, den der 2. OIC zurückgelassen hat. Der Geruch nach verbrannten Zwiebeln und verdorbenem hausgemachten Joghurt. Nach Argwohn und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher