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Eine Japanerin in Florenz

Eine Japanerin in Florenz

Titel: Eine Japanerin in Florenz
Autoren: Magdalen Nabb
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Florenz und strahlend weiße Flaggen für das mittelalterliche Fußballturnier, das schon bald ausgerichtet werden würde.
    »Guten Morgen, Maresciallo. Wie geht es Ihnen?«
    Wie immer stand Lapo auf der Schwelle seiner kleinen Trattoria. Hinter einer riesigen Brille schickte er ein herausforderndes Grinsen quer über die vier im Quadrat angeordneten Tische hinüber zu den zwölf Tischen auf der anderen Seite, die nur wenige Meter entfernt einen viel größeren Raum einnahmen. Die Hände hielt er unter dem Latz seiner Schürze verborgen, die bis zu seinen Knöcheln hinabreichte, so wie die Schürze seines Vaters und auch schon die seines Großvaters. Die hübschen jungen Dinger auf der gegenüberliegenden Seite trugen modische Nachahmungen seines Originals.
    »Kein Grund zur Klage, Lapo. Und wie geht es Ihnen?«
    »Sehr gut, ausgezeichnet. Trinken Sie eine Tasse Kaffee mit mir!«
    »Nein, nein danke. Ich habe gerade erst einen getrunken und muß weiter.«
    »Wann werden Sie denn mal zum Essen kommen? Sie haben es schon lange versprochen. Meine Sandra ist wirklich eine ganz ausgezeichnete Köchin.«
    »Zweifellos ist sie das.« Ein köstlicher Duft von Kräutern und Knoblauch in heißem Olivenöl drang durch die offene Tür. Offenbar war sie gerade dabei, die Sauce für das heutige Pastagericht vorzubereiten.
    »Sie sind eingeladen, aber das wissen Sie ja.«
    »Ich komme gerne, aber nur auf eigene Rechnung.«
    »Wenn Sie meinen. Zumindest werden Sie meine Preise nicht in den Ruin treiben. Wenn Sie allerdings dort drüben einkehren wollen, müssen Sie zuerst eine Hypothek aufnehmen.«
    »Das würde ich niemals wagen.« Da der Maresciallo viele Jahre lang das Leben eines Strohwitwers geführt hatte, bis seine Frau schließlich aus Sizilien zu ihm nach Florenz ziehen konnte, stand ihm einfach nicht mehr der Sinn danach, auswärts zu essen. Zu Hause, im Schoß der Familie die Mahlzeiten einzunehmen, das war sein Traum von Luxus.
    »Bringen Sie Ihre Frau und die Kinder doch mit«, erweiterte Lapo die Einladung, als hätte er die Gedanken des Maresciallo gelesen.
    »Das werde ich, versprochen. Jetzt muß ich aber weiter. Wie steht’s eigentlich mit …?« Der Maresciallo machte eine vielsagende Kopfbewegung hinüber zu dem großen Restaurant auf der gegenüberliegenden Seite. »Versuchen die immer noch, Sie aufzukaufen?«
    »Aber ja, natürlich.« Lapo lächelte breit und zeigte dabei eine Reihe strahlend weißer, neuer Zähne, auf die er sehr stolz war. »Unglaublich, was für eine Summe die mir bieten. Sie haben sogar gesagt, ich solle einfach meinen Preis nennen … Da ist er ja.« Auf der Schwelle des gegenüberliegenden Restaurants war der junge Besitzer erschienen, das schwarze Haar streng zurückgekämmt, mit schwarzem T-Shirt und langer, grüner Schürze.
    »Sehen Sie, wie braungebrannt der ist, Maresciallo? Hat im März vier Wochen zugemacht, um Ski fahren zu gehen. Die Menschen, die zu mir essen kommen, arbeiten. Ich mache Urlaub, wenn sie Urlaub machen. Was glaubt der eigentlich, was ich mit seinem Geld anfangen will? Wo soll ich denn hin? Das hier ist nicht bloß ein Job. Die Arbeit und die Menschen hier sind mein Leben!« Er beschrieb mit seinem Arm einen großen Bogen, schloß den Schuhmacher, den Möbelrestaurateur, den Drucker und den Packer mit ein, der gerade bronzene Kerzenleuchter und eine Marmorstatue für die Verschiffung ins Ausland verpackte. »Er kommt halt aus Mailand. Das kennt man ja. Glauben, den Preis für alles und jedes zu kennen, aber vom wahren Wert der Dinge haben sie nicht die geringste Ahnung. Er wird schon noch merken, daß ich eine harte Nuß bin. Um ganz ehrlich zu sein, ich amüsiere mich königlich.« Lapo grinste und winkte freundlich nach drüben. Der junge Mann grüßte lächelnd zurück. »Guten Morgen.«
    »Ich guten Morgen dich gleich, du Fatzke.« Lapo schob die Hände zurück unter den Latz seiner fast makellos sauberen Schürze. »Du hast ja keine Ahnung, was es heißt, in diesem Viertel geboren zu sein. Aber du wirst schon noch dahinterkommen, meinen Sie nicht auch, Maresciallo?«
    »Lassen Sie sich von dem nicht aus der Ruhe bringen. Das wäre ja gelacht.« Beruhigend legte Guarnaccia eine große Hand auf die Schulter des kleineren Mannes. Er hoffte, daß er überzeugend wirkte und nichts von seinen gemischten Gefühlen nach außen drang. Als er weiterging und das Lärmen der Druckerpresse hinter verstaubten Milchglasscheiben und den kühlen, frischen Geruch der
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