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Eine Hexe mit Geschmack

Eine Hexe mit Geschmack

Titel: Eine Hexe mit Geschmack
Autoren: A. Lee Martinez
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Wir waren wieder Hexe und weißer Ritter.
    »Ein Letztes«, sagte er. »Damit du
mich nicht vergisst.«
    »Das wäre schön.«
    Und er gab mir mein Geschenk. Dann
nahm er sein Pferd bei den Zügeln und ging, seine verlorene Reinheit zu suchen.
Die graue Füchsin begegnete mir auf halbem Weg zurück zu meinen Gefährten.
    »Wieder allein unterwegs?«, fragte
ich.
    »Nein, ich gehe mit dem Ritter.
Ich glaube, er hat interessante Möglichkeiten.«
    »Gib für mich auf ihn Acht.«
    »Das werde ich, denn du wirst es
nicht können.«
    Ich streichelte ihre Nase und
verlieh ihr eine Prise Magie, einen kleinen Zauber, um ihre Jahre zu verlängern
und ihr zu erlauben, mit dem weißen Ritter zu sprechen. »Danke.«
    Sie grinste genauso schlau und
gerissen, wie ein kluger und neugieriger Fuchs es kann. »Das ist das Mindeste,
was ich dafür tun kann, dass du mir erlaubt hast, an einer so unterhaltsamen
Reise teilzunehmen.« Sie rannte hinter Wyst her. Er verlangsamte seinen
Schritt, damit sie zu ihm aufschließen konnte.
    Im Traum des Seelenlosen Gustav
mochte es Morgen sein, aber in der wirklichen Welt war es kurz nach Mittag. Ich
bemerkte die Sonne zum ersten Mal in all ihrer vulgären Helligkeit und zog
meinen Hut tiefer über die Augen. Irgendwo hier, während ich die kurze
Entfernung zu meinen Gefährten zurücklegte, ließ ich die äußeren Zeichen des
sterblichen Frauseins hinter mir. Aber nur die äußeren Zeichen. Alles Wichtige,
alle Gefühle, Freuden und Erinnerungen würden immer bei mir bleiben.
    Ich gestattete mir ein letztes
unhexenhaftes Lächeln.
    Als ich meine Gefährten traf,
sagte ich nichts und ging weiter. Sie kannten mich gut genug, um mir zu folgen,
ohne dass ich es ihnen sagen musste. Penelope schwebte neben mich und drängte
sich sachte in meine Hand. Sie hielt sich angespannt in meinem Griff.
    »Mir geht es gut, Liebes. Du musst
dir keine Sorgen machen.«
    Sie entspannte sich.
    »Du humpelst nicht«, bemerkte
Molch, »und du solltest deine Haare verstecken.«
    Ich kicherte unhörbar. Gerade
hatte ich den größten lebenden Zauberer besiegt, und mein Vertrauter fühlte
sich noch immer verpflichtet, mir zu sagen, was man als gute Hexe tun sollte.
Ich hätte ihn zwar in seine Schranken weisen sollen, beschloss aber, großzügig
zu sein.
    »Wo gehen wir hin?«, fragte Molch.
    »Zurück nach Fort Handfest.« Ich
lauschte, und da hörte ich zum ersten Mal die Magie. Es war eine sanfte, leise
und unheilvolle Stimme. »Sie werden wieder die Hilfe einer guten Hexe brauchen.
Und zwar bald.«
    »Wird es Blutvergießen geben?«
    »Chaos und Gefahr sicher.
Blutvergießen vielleicht.«
    Dieses Versprechen reichte aus, um
ihn zufriedenzustellen.
    »Und was hat dir Wyst nun
geschenkt?«, fragte Gwurm.
    »Woher weißt du, dass er mir etwas
geschenkt hat?«, fragte ich.
    »Nur so ein Gefühl. Du hast ihm
dein Eichhörnchen geschenkt.«
    »Er hat ihr gar nichts gegeben«,
sagte Molch. »Du hast doch zugesehen.«
    »Ganz im Gegenteil, er hat mir
viele Dinge gegeben, ganz gewöhnliche und wunderschöne. Und - was vielleicht am
wenigsten wichtig ist: Er hat mir einen Namen gegeben.«
    Molch sah lebhaft zu mir auf.
»Welchen?« Ich lächelte.
    »Du wirst ihn uns bestimmt nicht
sagen.«
    Schweigen war meine einzige
Antwort.
    Ich erwartete nicht, dass er mich
verstand, aber es war mir genug, den Namen zu besitzen. Andere ihn hören zu
lassen, hätte ihn nur seines Werts beraubt und ihn zu einem gewöhnlichen,
banalen Ding gemacht. Ich wollte ihn nicht teilen. Ich wollte ihn ganz für mich
allein. Jetzt war ich wirklich die Hexe mit dem unausgesprochenen Namen. Oder
eher die Hexe mit dem Namen, der nur einmal ausgesprochen wurde. Aber das war
eine etwas lange und umständliche Bezeichnung, selbst für eine gute Hexe.
    »Ich verstehe immer noch nicht,
wozu ein unausgesprochener Name gut sein soll«, sagte Molch.
    »Dann hast du nie die Geschichte
vom Namenlosen Walter gehört«, sagte Gwurm.
    »Moment mal. Wenn sein Name
Namenloser Walter ist, dann kann er nicht namenlos sein.«
    Gwurm kicherte. »Ja, aber gerade
daraus besteht ja die Geschichte...«
    Ich hörte nur halb zu, als mein
Troll seine Erzählung begann. Es war eine amüsante und farbenfrohe Fabel, meine
Gedanken waren jedoch anderswo. Ein Teil von mir wollte immer noch umdrehen und
zu Wyst zurücklaufen. Bei ihm zu sein würde mich allerdings nur zu dem Monster
machen, das ich sein sollte. Am Ende würde es alles Wertvolle zerstören, das er
mir gegeben hatte. Dies zu
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