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Eine Handvoll Leben: Meine Kindheit im Gulag (German Edition)

Eine Handvoll Leben: Meine Kindheit im Gulag (German Edition)

Titel: Eine Handvoll Leben: Meine Kindheit im Gulag (German Edition)
Autoren: Monika Dahlhoff
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geschossen, und ich vergaß alle anderen um mich herum. Die kalte Hundeschnauze schnupperte zur Begrüßung über meine Hände und durch mein Gesicht. »Jetzt kommt erst einmal rein«, rief Opa, »ihr müsst doch hungrig und durstig sein. Und ihr wollt euch sicher waschen und trockene Sachen anziehen.«
    Mit Elsa an meiner Seite lief ich hinter den anderen her ins Haus. Auch der junge Soldat, der uns gefahren hatte, war zum Essen eingeladen worden. »Ich habe eine Linsensuppe auf dem Ofen, es ist genug für alle da«, sagte Oma.
    In der großen Wohnküche duftete es köstlich. Oma schob mir einen Schemel an den Waschtisch. Sicher sollte ich mir vor dem Essen die Hände waschen … Als ich mich in dem kleinen Spiegel an der Wand erblickte, fiel ich vor Schreck fast von dem dreibeinigen Hocker. Auch ich war pechschwarz im Gesicht und hatte dunkles Haar. Oma half mir, den Ruß abzuwaschen.
    Während wir später am großen Tisch in der Wohnstube die Suppe aßen, hörte man nur das Klappern der Löffel und hin und wieder ein Schlürfen. Die warme Mahlzeit füllte nicht nur unsere leeren Mägen, sondern beruhigte auch die Gedanken. Selbst Peter, der von Oma gefüttert wurde und sonst beim Essen quietschte und brabbelte, lag ruhig in dem Gitterbett, das Opa ihm gebaut hatte und das man ohne Aufwand auch an den Tisch stellen konnte. Mithilfe von Kissen saß er halb, sodass er uns alle sehen konnte.
    »Bleiben wir jetzt bei Oma und Opa?«, fragte ich Mama nach dem Essen. »Und darf ich raus, um die anderen Tiere zu begrüßen und die Kinder?«
    »Jetzt ruhen wir uns alle erst einmal aus, mein Kind«, sagte sie und brachte mich in das Zimmer, in dem ich immer schlief, wenn ich auf dem Gutshof zu Besuch war.
    »Ich bin aber gar nicht müde«, widersprach ich und rieb mir dann doch die Augen. »Darf Elsa denn bei mir bleiben?« Mama nickte. Elsa hörte meinen Ruf und kam auch schon angelaufen, sprang aufs Bett, dass es wackelte, und rollte sich am Fußende zusammen. Als Mama das Zimmer verlassen hatte, legte ich meinen Kopf auf Elsas Bauch. »Jetzt bleiben wir hier bei euch, Mama und ich. Und … und Onkel Fritz vielleicht. Und Papa im Himmel ist sowieso immer bei uns …«
    »Monika, Liebes, wach auf, wir müssen uns verabschieden.« Nur langsam kam ich aus tiefem Schlaf zu mir und sah Mama in einem Mantel an meinem Bett sitzen.
    »Wo gehen wir denn hin?«
    »Nein, nein, du bleibst hier, meine Große.«
    Ich bekam Angst. Ich blieb hier? Und Mama nicht? Mama wollte doch wohl nicht zurück in den Krieg! Bei Oma und Opa waren wir sicher. Es gab kein lautes Krachen, keine Feuerschlangen und keinen Rauch, der in den Augen brannte.
    »Liebes, ich fahre nach Berlin zu Tante Hilde. Wir können nicht zurück nach Königsberg … wir haben alles verloren, alles. Deine Tante Hilde hat auch Kinder, das weißt du, bei ihr werde ich Sachen für uns bekommen. Die Reise nach Berlin ist für kleine Kinder wie dich und Peter aber viel zu gefährlich, und Oma und Opa freuen sich auch sehr, dass ihr bei ihnen bleibt.«
    Auf einmal stand Onkel Fritz hinter Mama und legte seine Hand auf ihre Schulter. »Ich pass gut auf deine Mama auf«, sagte er lächelnd.
    »Aber ich muss doch auf Mama aufpassen!«, rief ich. »Das hat Papa gesagt. Bis er zurückkommt.«
    Mama nahm mich in den Arm. »Papa kommt nicht zurück, Monika, das weißt du doch. Aber er sieht dich vom Himmel aus. Und jetzt sei brav und gib mir einen Kuss zum Abschied. Und wenn du auf jemanden aufpassen möchtest, dann auf deinen kleinen Bruder. Er braucht dich hier.«
    Mama und Onkel Fritz fuhren mit dem jungen Soldaten fort. Oma hatte ihnen ein paar Stücke von dem Apfelkuchen eingepackt, der noch ganz warm war und den sie vor allem für mich gebacken hatte. Doch diesmal schmeckte er nicht so gut wie sonst. Es lag wohl auch daran, dass mich die ganze Zeit die Frage beschäftigte, ob Mama wieder zurückkäme oder ob sie wohl lieber mit Onkel Fritz fortbliebe.
    Erst als ich durch die Ställe lief und die Tiere begrüßte, vergaß ich für eine Weile, dass ich nun ohne Papa und ohne Mama war. Ich konnte gar nicht genug bekommen vom weichen Fell der Häschen, die erst vor Kurzem das Licht der Welt erblickt hatten. Ich lief aber auch zu den Pferden und den Kühen und in den Hühnerstall. Und ein paar der Kinder, die mit ihren Familien auf dem Hof lebten, kamen angelaufen, um mich herumzuführen. Doch der Tag war lang gewesen und als es dämmerte, rief Opa mich ins Haus. Es gab noch eine
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