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Eine Handvoll Dunkelheit

Eine Handvoll Dunkelheit

Titel: Eine Handvoll Dunkelheit
Autoren: Philip K. Dick
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Leichenwagens.
    „Nichts“, wehrte St. Cyr ab, und er kicherte immer noch.
     
    Als er den eingesargten Leichnam, noch immer dick in die Frostpackungen gehüllt, in Harveys Haus abgestellt hatte und der Fahrer ins Institut zurückgekehrt war, griff St. Cyr nach dem Telefon und wählte. Aber es war ihm nicht möglich, eine Verbindung zu der Halle zu bekommen, in der der Parteitag stattfand. Alles, was er hörte, war – sehr zu seinem Ärger – das ferne, unheimliche Knistern, die monotone Litanei von Louis Sarapis. Er legte auf, erleichtert und gleichzeitig enttäuscht.
    Davon haben wir genug gehabt, sagte sich St. Cyr. Ich werde nicht auf Harveys Zustimmung warten; ich brauche sie nicht.
    Er durchsuchte das Wohnzimmer und fand in einem Kleiderschrank einen Hitzestrahler. Er zielte auf Louis Sarapis’ Sarg und drückte den Abzug.
    Die Frostpackung dampfte, der Sarg zischte, als das Plastik schmolz.
    Der Leichnam schwärzte sich, schrumpelte zusammen, verkohlte zu einem kleinen, formlosen Etwas.
    Befriedigt legte St. Cyr den Hitzestrahler wieder in den Kleiderschrank zurück.
    Erneut griff er nach dem Telefon und wählte.
    An seinem Ohr intonierte die monotone Stimme: „… niemand außer Garn kann es schaffen; Garn ist der Mann, der es kann – ein guter Slogan, Johnny. Garn ist der Mann, der es kann; vergiß das nicht. Ich werde reden; geben Sie mir das Mikro und ich werde es ihnen sagen. Gam ist der Mann, der es kann. Garn ist …“
    Claude St. Cyr schmetterte den Hörer auf die Gabel, wandte sich den geschwärzten Überresten von Louis Sarapis zu; benommen starrte er das an, was er nicht begreifen konnte. Als St. Cyr den Fernseher einschaltete, drang auch aus ihm diese Stimme; nichts hatte sich verändert.
    Die Stimme von Louis Sarapis entstammte nicht seinem Körper. Denn der Körper existierte nicht mehr. Es bestand einfach keine Verbindung zwischen den beiden Dingen.
    Claude St. Cyr ließ sich in einem Sessel nieder, holte seine Zigaretten hervor, zündete eine mit zittrigen Fingern an und versuchte zu verstehen, was dies zu bedeuten hatte. Er schien der Erklärung ganz nah zu sein.
    Aber mehr auch nicht.
     
    5
     
    Mit der Monobahn – er hatte seinen Kopter im Geliebte-Menschen-Bestattungsinstitut zurückgelassen – fuhr Claude St. Cyr zur Parteitagshalle. Natürlich war es dort drängend voll; ein furchtbarer Lärm herrschte. Aber es gelang ihm, sich der Dienste eines Robot Ordners zu versichern; über ihn erfuhr er, daß sich Phil Harvey in einem der Nebenräume aufhielt, die von den Delegationen benutzt wurden, wenn sie ungestört konferieren wollten.
    Harvey wurde ausgerufen, und zerzaust von dem Gedränge der Zuschauer und Delegierten tauchte er dann auf. „Was ist los, Claude?“ fragte er, und erst danach bemerkte er den Gesichtsausdruck seines Rechtsanwaltes. „Sprich“, bat er ernst.
    „Die Stimme, die wir hören“, stieß St. Cyr hervor. „Sie gehört nicht Louis! Es ist jemand anders, der Louis nachahmt!“
    „Woher weißt du das?“
    Er sagte es ihm.
    Harvey nickte. „Und es war tatsächlich Louis’ Leichnam, den du zerstört hast; er wurde im Bestattungsinstitut nicht vertauscht – das weißt du genau?“
    „Ich bin mir nicht ganz sicher“, erwiderte St. Cyr. „Aber ich glaube schon; ich glaube es jetzt, und ich habe es geglaubt, als ich mit dem Hitzestrahler den Leichnam eingeäschert habe.“ Es war jetzt zu spät, um dies zu überprüfen; von der Leiche war nicht genug übriggeblieben, um eine befriedigende Analyse durchzuführen.
    „Aber wer kann es dann sein?“ fragte Harvey. „Mein Gott, die Stimme stammt aus dem Raum jenseits des Sonnensystems – können es vielleicht Extraterrestrier sein? Eine Art Echo, eine Nachahmung, eine nicht-lebende Reaktion, die uns fremd ist? Ein zielloser, inerter Prozeß?“
    St. Cyr lachte. „Du redest Unsinn, Phil. Hör auf damit.“
    „Wie du meinst, Claude“, nickte Harvey. „Glaubst du, daß es jemand von hier …“
    „Ich weiß es nicht“, unterbrach St. Cyr heftig. „Ich glaube, es ist jemand, der sich hier auf diesem Planeten befindet, jemand, der Louis gut genug kannte, um seine charakteristischen Eigenschaften so nachzuahmen, daß es niemandem auffiel.“ Dann schwieg er. Soviel ließ sich durch logisches Nachdenken ermitteln … was darüber hinaus ging, blieb unklar. Eine Leere, und diese Leere ängstigte ihn.
    Ein störendes Element befindet sich darin, dachte er. Was wir als Verfall ansahen – es ist eher eine
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