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Eine handvoll Dunkelheit

Eine handvoll Dunkelheit

Titel: Eine handvoll Dunkelheit
Autoren: Philip K. Dick
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große Schmetterlinge tanzten an ihm vorbei. Zerbrechliche, farbenfrohe Geschöpfe mit weiten Schwingen, die ihn aufgeregt umflatterten und dann davonschwirrten. Überall Leben – Käfer und Pflanzen und die raschelnden kleinen Tiere im Unterholz, ein vor Leben vibrierender Dschungel, der sich in alle Richtungen erstreckte. Trent seufzte und klappte den Helm wieder zu. Mehr als zwei Atemzüge wagte er nicht.
    Er erhöhte die Luftzufuhr aus seinem Sauerstofftank und hob dann das Funkgerät an die Lippen. Rasch schaltete er es ein. »Trent. Bergwerkszentrale bitte kommen. Hören Sie mich?«
    Einen Moment lang Schweigen und statische Geräusche. Dann eine leise, geisterhafte Stimme. »Trent, bitte kommen. Wo, zum Teufel, stecken Sie?«
    »Ich bewege mich noch immer in Richtung Norden. Vor mir liegen Ruinen. Vermutlich muß ich sie umgehen. Sehen ziemlich dicht aus.«
    »Ruinen?«
    »Wahrscheinlich New York. Ich werde auf der Karte nachschauen.«
    Die Stimme klang drängend. »Schon etwas gefunden?«
    »Nichts. Zumindest bis jetzt noch nicht. Ich werde jetzt die Ruinen umgehen und mich in ungefähr einer Stunde wieder melden.« Trent warf einen Blick auf seine Armbanduhr. »Es ist jetzt halb vier. Vor Einbruch der Dunkelheit hören Sie wieder von mir.«
    Die Stimme zögerte. »Viel Glück. Ich hoffe, daß Sie etwas entdecken. Wie steht’s mit Ihren Sauerstoffvorräten?«
    »Sie reichen.«
    »Nahrungsmittel?«
    »Noch genügend da. Vielleicht finde ich einige eßbare Pflanzen.«
    »Gehen Sie nur kein Risiko ein!«
    »Keine Sorge.« Trent schaltete das Funkgerät ab und befestigte es wieder an seinem Gürtel. Er griff nach seinem Lasergewehr, schulterte sein Gepäck und setzte sich wieder in Bewegung, und seine schweren, bleigefütterten Stiefel sanken tief in das weiche Laubwerk und den Humus des Bodens ein.
    Es war kurz nach vier, als er sie erblickte. Sie schoben sich aus dem Dschungel, der ihn umgab. Es waren zwei junge Männer – groß und dünn und mit hornigen, graugrünen Augen wie Asche. Einer von ihnen hob grüßend die Hand. Sechs oder sieben Finger – zusätzliche Gelenke. »Tag«, piepste er.
    Trent blieb sofort stehen. Sein Herz hämmerte. »Guten Tag.«
    Langsam kamen die beiden jungen Männer auf ihn zu. Einer trug eine Axt – eine Buschaxt. Der andere schien nur eine Hose und die Überreste eines Leinenhemdes zu besitzen. Sie maßen beinahe zwei Meter fünfzig. Kein Fleisch – nur Knochen und hervortretende Gelenke und große, neugierige Augen mit schweren Lidern. Ihre inneren Organe hatten sich verändert, ihr Metabolismus und ihre Zellstruktur sich radikal angepaßt, und ihr mutiertes Verdauungssystem erlaubte es ihnen, radioaktive Salze zu verarbeiten. Beide sahen sie Trent mit Interesse an – mit wachsendem Interesse.
    »Sag mal«, begann einer von ihnen, »bist du ein menschliches Wesen?«
    »Das bin ich«, bestätigte Trent.
    »Ich heiße Jackson.« Der Junge streckte seine magere, blaue, schwielige Hand aus, und Trent schüttelte sie widerwillig. In seinem bleigefütterten Handschuh fühlte sie sich zerbrechlich an. »Mein Freund hier, das ist Earl Potter.«
    Trent reichte Potter die Hand. »Grüß dich«, sagte Potter. Seine rissigen Lippen verzogen sich. »Können wir einen Blick auf deine Sachen werfen?«
    »Meine Sachen?« entgegnete Trent.
    »Auf dein Gewehr und deine Ausrüstung. Was ist das da an deinem Gürtel? Und dieser Tank?«
    »Funkgerät – Sauerstoff.« Trent zeigte ihnen das Funkgerät. »Batteriebetrieben. Reichweite hundertfünfzig Kilometer.«
    »Du bist aus einem Lager?« fragte Jackson rasch.
    »Ja. Unten in Pennsylvania.«
    »Wie viele?«
    Trent zuckte die Achseln. »Ein paar Dutzend.«
    Die blauhäutigen Riesen waren fasziniert. »Wie habt ihr überlebt? Penn wurde doch schwer getroffen, oder? Die Krater müssen sich dort tief in den Boden gegraben haben.«
    »Bergwerke«, erklärte Trent. »Unsere Vorfahren zogen sich tief in die Bergwerke zurück, als der Krieg begann. So steht es zumindest in den Aufzeichnungen. Wir kommen recht gut aus. Züchten unsere Lebensmittel in Tanks. Ein paar Maschinen, Pumpen und Kompressoren und Elektrogeneratoren funktionieren noch. Außerdem verfügen wir über ein paar Drehbänke und Webstühle.«
    Er erwähnte nicht, daß die Generatoren nun von Hand betrieben werden mußten und nur noch die Hälfte der Tanks einsatzbereit waren. Nach dreihundert Jahren taugten Metall und Plastik nicht mehr viel – trotz der andauernden
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