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Eine handvoll Dunkelheit

Eine handvoll Dunkelheit

Titel: Eine handvoll Dunkelheit
Autoren: Philip K. Dick
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allen Daseinsbereichen, bei den Insekten, Pflanzen und Tieren. Der normale Prozeß der Mutation und Selektion von Millionen Jahren wurde auf Sekunden zusammengedrängt.
    Diese veränderten Nachkommen breiteten sich über die Erde aus.
    Ein krabbelndes, wimmelndes, strahlendes Heer radioaktiv verseuchter Wesen. In dieser Welt konnten nur jene Arten überleben, die strahlenvergifteten Boden benötigten und partikelgesättigte Luft atmen konnten. Insekten und Tiere und Menschen, die in einer Welt zu leben vermochten, deren Oberfläche derart kontaminiert war, daß sie in der Nacht glühte.
    Verdrossen dachte Trent darüber nach, während er sich einen Weg durch den dampfenden Dschungel bahnte und geschickt Schlingpflanzen und Ranken mit seinem Laser verbrannte. Ein Großteil der Meere war verdampft. Immer noch regnete ihr Wasser nieder und überschüttete das Land mit wahren Gießbächen strahlender Nässe. Der Dschungel war feucht – feucht und heiß und voller Leben. Um ihn herum raschelten und flohen Tiere. Er umklammerte den Laser und hastete weiter.
    Die Sonne ging unter. Bald würde die Nacht hereinbrechen. Eine Anzahl zernarbter Hügel zeichneten sich gegen das violette Glühen ab. Der Sonnenuntergang würde ein herrlicher Anblick werden – wegen der zahllosen Partikel, die selbst Jahrhunderte nach den Bombenexplosionen noch immer durch die Atmosphäre drifteten.
    Einen Moment blieb er stehen, um das Bild zu genießen. Er war weit gewandert, und er war müde – und entmutigt.
    Die hornigen, blauhäutigen Riesen waren eine typische Mutantengattung. Kröten nannte man sie. Wegen ihrer Haut – sie glichen darin den Hornkröten der Wüsten. Mit ihren radikal veränderten Organen, die angepaßt waren an strahlenverseuchte Pflanzen und die giftige Luft, lebten sie bequem in einer Welt, die ihn ohne den bleigefütterten Anzug, die polarisierte Sichtscheibe, den Sauerstofftank und den dekontaminierten Nahrungsmitteln aus den unterirdischen Tanks des Bergwerks sofort töten würde.
    Das Bergwerk – es wurde Zeit für eine Meldung. Trent hob das Funkgerät. »Hier Trent, bitte kommen«, murmelte er und befeuchtete seine trockenen Lippen. Er war hungrig und durstig. Vielleicht hatte er Glück und fand eine relativ ungefährliche Stelle, die frei war von Radioaktivität, so daß er für eine Viertelstunde den Anzug ablegen und sich waschen konnte. Sich reinigen von dem Schweiß und dem Schmutz.
    Zwei Wochen war er marschiert, eingeschlossen in dem heißen, stickigen, bleigefütterten Anzug, der an den eines Tauchers erinnerte. Während um ihn herum zahllose Lebewesen krochen und hüpften, ohne von dem mörderischen, radioaktiv strahlenden Boden behelligt zu werden.
    »Bergwerk«, antwortete eine leise, feine Stimme.
    »Ich habe für heute die Nase voll. Ich werde eine Rast einlegen und etwas essen. Bis morgen dann.«
    »Kein Glück gehabt?« Die Enttäuschung war deutlich hörbar.
    »Nein.«
    Stille. Dann: »Nun, vielleicht morgen.«
    »Vielleicht. Ich bin auf einen Krötenstamm gestoßen. Hübsche junge Burschen, ungefähr zwei Meter fünfzig groß.« Trents Stimme verriet Bitterkeit. »Laufen nur mit Hemden und Hosen bekleidet herum. Und barfuß.«
    Sein Gesprächspartner im Bergwerk war sichtlich uninteressiert. »Ich weiß. Diese Glückspilze. Nun, schlafen Sie jetzt und rufen Sie mich morgen mittag wieder an. Lawrence hat gerade einen Bericht durchgegeben.«
    »Wo ist er jetzt?«
    »Weiter westlich. In der Nähe von Ohio. Er macht gute Fortschritte.«
    »Irgendwelche Ergebnisse?«
    »Er stieß auf Roller, Käfer und auf diese Gräber, die in der Nacht herauskommen – diese blinden weißen Kerle.«
    »Würmer.«
    »Ja, Würmer. Sonst nichts. Wann werden Sie sich wieder melden?«
    »Morgen«, erwiderte Trent. Er legte den Schalter um und befestigte das Funkgerät an seinem Gürtel.
    Morgen. Er blickte zu der fernen Bergkette hinüber, die in der zunehmenden Dämmerung zu verschwimmen begann. Fünf Jahre. Und immer – morgen. Er war der letzte einer langen Reihe von Männern, die ausgesandt worden waren. Ausgerüstet mit wertvollen Sauerstofftanks und Nahrungspillen und einem Laser. Männer, für die man die letzten Vorräte opferte, um sie auf sinnlose Forschungsreisen in den Dschungel zu schicken.
    Morgen? An irgendeinem Morgen in nicht allzu ferner Zukunft würden die Sauerstoffpatronen und Nahrungspillen zur Neige gehen, die Kompressoren und Pumpen endgültig versagen. Stille und Tod würden das Bergwerk auf
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