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Eine geheimnisvolle Lady

Eine geheimnisvolle Lady

Titel: Eine geheimnisvolle Lady
Autoren: Anna Campbell
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»Seien Sie nicht albern, Mädchen, er wird Sie unwiderstehlich finden.«
    »Heute widerstand er mir mühelos«, erwiderte sie sarkastisch.
    Seine dünnen Lippen verzerrten sich und bekundeten sein Missfallen. Galt es ihrem Versagen oder ihrem herausfordernden Benehmen? »Versuchen Sie es noch einmal. Seit zehn Jahren bekämpfe ich diesen Bastard im Parlament. Trotz all seiner törichten Ideen ist er verdammt klug. Aber ich kenne seine Schwächen. Und Sie sind genau die richtige Frau, die diese Schwächen nutzen kann.«
    Sogar Diana, die sich nicht allzu intensiv mit Politik beschäftigte, wusste Bescheid über die langjährige Feindschaft zwischen dem streng konservativen Edgar Fanshawe, Marquess of Burnley, und dem Reformverfechter Tarquin Vale, Earl of Ashcroft. Immer wieder gerieten die beiden Gentlemen aneinander, und meistens gewann der Marquess die Oberhand, weil sein grausames Auge-um-Auge-Prinzip vom Großteil der oberen Gesellschaftsschicht unterstützt wurde. Burnley schloss von Ashcrofts liberalen politischen Ansichten auf den gesamten Charakter und hielt seinen Widersacher für einen freizügigen Libertin.
    An den Schreibtisch gelehnt, verschränkte der Greis die Arme vor einer einst breiten, kraftvollen Brust. Jetzt war sie dünn und eingefallen. Diana unterdrückte ein Schaudern. Trotz der offenkundigen Unterschiede zwischen den beiden Männern, was das Alter und die Vitalität betraf, nahm der Marquess nun genau die gleiche Pose ein wie Lord Ashcroft, als er ihr die Tür gewiesen hatte.
    Dieser Tag war schmerzlich und beängstigend gewesen. Ihr Auftrag war eindeutig – sie sollte den Earl verführen. Theoretisch betrachtet, ganz einfach. Und so kompliziert, seit sie ihr Opfer kannte. Mittlerweile entglitten die Ereignisse ihrer Kontrolle. Und Ashcroft hatte sie nicht einmal angerührt.
    Wehmütig sehnte sie sich in die Sicherheit von Cranston Abbey zurück, und das Herz wurde ihr schwer. Sie gehörte nicht hierher, nicht nach London, sondern in jenes geliebte Haus, auf das vertraute Landgut, dem sie ihr Leben geweiht hatte, für das sie sich eingesetzt hatte wie eine Mutter für ihr Kind.
    Bei diesem Gedanken ermahnte sie sich, an ihrem Plan festzuhalten. Falls er gelang, würde Cranston Abbey ihr gehören. Das rechtfertigte alle Mittel. Lord Ashcroft würde es nicht schaden, wenn sie an ihrem Vorhaben festhielt und es erneut probierte, und sie hatte viel zu gewinnen. Sie holte tief Atem und zwang sich zu einem energischen Tonfall. »Noch bin ich nicht mit Ashcroft fertig.«
    Ein Lächeln verzog die dünnen Lippen des hochgewachsenen alten Mannes. Obwohl die Krankheit ihren Tribut forderte, sah er immer noch imposant aus. In die Wangen und von der Nase zu den Mundwinkeln hatten sich Furchen gegraben, und die Augen lagen tief in den Höhlen. »Eins muss ich Ihnen zugestehen, Sie haben Kampfgeist. Den hatten Sie schon immer, auch damals, als Sie noch ein kleines Balg waren.«
    Müde strich sie ein paar Haarsträhnen beiseite, die ihre Stirn kitzelten. Nach ihrem erfolglosen Versuch, Ashcroft zu verführen, fühlte sie sich erschöpft, erniedrigt und erregt – auf eine Weise, die sie nicht ergründen wollte. Als hätte jemand ihre Haut mit Schmirgelpapier abgerieben, eine oder zwei Schichten entfernt und ihre Seele der Welt ungeschützt ausgeliefert. Ein fremdartiges, unwillkommenes, unangenehmes Gefühl.
    Ihren rechten Arm würde sie für eine Tasse Tee und fünf ruhige Minuten in einem komfortablen Sessel opfern. Aber dieser prosaische Luxus war ihr nicht vergönnt. Bei ihrer Rückkehr von dem Debakel in Ashcrofts Haus war sie von Burnley erwartet worden.
    Nun starrte er nachdenklich vor sich hin. »Ich kann nicht hierbleiben. Wenn man uns zusammen sieht, wird der Plan scheitern. Denken Sie daran, was auf dem Spiel steht.«
    Oh, das tat sie. Sie dachte kaum an etwas anderes.
    Hatte sie schon immer das großartige Haus und die reichen Ländereien ersehnt? Daran zweifelte sie. Aber als Lord Burnley ihr die Chance geboten hatte, die Geschicke des Landguts in der nächsten Generation zu bestimmen, war es ihr plötzlich wie Schuppen von den Augen gefallen. Jetzt blickte sie zum Horizont statt nur auf den Grund vor ihren Füßen. Ehrgeiz und Entschlossenheit verliehen ihr ungeahnte Kräfte. Endlich würde ihre Liebe zu Cranston Abbey greifbare Formen annehmen, und sie konnte eine Aufgabe erfüllen, die ihrer Intelligenz und ihren Fähigkeiten entsprach.
    Während sie an jene Offenbarung zurückdachte,
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