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Eine geheimnisvolle Lady

Eine geheimnisvolle Lady

Titel: Eine geheimnisvolle Lady
Autoren: Anna Campbell
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sprudelten an seinem Gaumen – die einzige kühle Erfrischung im Zuschauerraum des Theaters, der für diese Nacht in einen Ballsaal verwandelt worden war. Die drückende Hitze, die den ganzen Tag über der Stadt gehangen hatte, ließ auch am Abend nicht nach. Rings um ihn tummelte sich die schwitzende Menschenmenge in erzwungener Fröhlichkeit, gellendes Gelächter und albernes Geschwätz übertönten das Orchester, das den neuesten Walzer spielte.
    Was machte er hier? Er hatte nicht hierherkommen wollen, obwohl seine Anwesenheit auf dem Kurtisanenball ebenso eine Tradition war wie die Veranstaltung selbst.
    Irritiert schaute er sich um und vermied es, begierigen weiblichen Blicken zu begegnen. Niemals verließ er den Ball ohne eine Begleiterin, und manchmal nahm er nicht nur eine mit. Was er als Zwanzigjähriger so aufregend dekadent gefunden hatte, ödete ihn mittlerweile an.
    Verdammt, er war zweiunddreißig. War er wirklich immer noch derselbe oberflächliche Tändler wie vor einem Dutzend Jahren? Gefielen ihm diese banalen Amüsements? Würde er mit vierzig immer noch hier stehen, ans Geländer des Orchesterpodiums gelehnt, auf der Suche nach einem warmen Körper, der seine Einsamkeit linderte? Mit fünfzig?
    Trostlose, beunruhigende Gedanken.
    Er nahm noch einen Schluck Champagner. Angewidert vom schalen Geschmack des Getränks, schnitt er eine Grimasse und überlegte, ob er nach Hause fahren sollte. Seine philosophische Stimmung hing nicht nur mit dem mangelnden Unterhaltungswert des Abends zusammen. Seit er vor zwei Tagen jener mysteriösen Besucherin die Tür gewiesen hatte, war er rastlos und unzufrieden.
    Seit Jahren hatte keine Frau eine so nachhaltige Wirkung auf ihn ausgeübt. Irgendetwas strahlte sie aus, was in seinem Gedächtnis haftete und sich nicht verdrängen ließ.
    Im Gegensatz zu seiner Gewohnheit hatte er den Abend daheim verbracht. Er war erstaunlich früh erwacht, noch vor Mittag, mit klarem Kopf. Sofort hatte er an Diana gedacht – falls sie wirklich so hieß, was er bezweifelte. Wegen dieser ungewollten Erinnerung hatte er seine Enthaltsamkeit bereut. In den Armen einer anderen wäre er abgelenkt worden.
    Nun, er würde sie bald vergessen. Er wusste nicht einmal, ob er sich entsann, wie sie aussah. Nur eine halbe Stunde in der Gesellschaft einer sonderbaren Frau, mochte ihr Angebot auch noch so faszinierend wirken, würde ihn wohl kaum verfolgen, wenn es so viele Abwechslungen gab. Allerdings verloren sie durch die ständige Wiederholung ihren Reiz. Hier umschwirrten ihn die spektakulärsten Londoner Dirnen, und ihm fehlte die nötige Energie, um einen Finger zu krümmen und eine heranzuwinken.
    Tarquin Vale, du bist ein hoffnungsloser Fall.
    Er ignorierte die Lockung einer maskierten Frau. Vielleicht eine Kurtisane. Vielleicht nicht. Der Ball war der Öffentlichkeit zugänglich und ein herrlich verbotenes Vergnügen für zahlreiche Mitglieder der Hautevolee. Nie wusste man, ob man mit einer Duchess oder einer Hure vom Covent Garden tanzte. Man musste nur die Eintrittskarte bezahlen. Weil viele Frauen das Geld dafür nicht besaßen, lungerten sie vor dem Eingang herum, in der Hoffnung, irgendein Gimpel würde sie einladen.
    »Hast du schon eine Gefährtin gewählt, Mylord?«
    Die sinnliche Stimme unterbrach seine trüben Gedanken, und er schaute in große blaue Augen unter einer silbernen Maske – so fein und winzig, dass sie den Namen kaum verdiente. Vertraute blaue Augen.
    »Hallo, Katie«, grüßte er ohne Begeisterung, obwohl die Kurtisane nicht nur seine gelegentliche Liebhaberin war, sondern auch eine Freundin. Sie kannten sich schon seit dem Abschluss seines Studiums in Oxford.
    »Heute Abend ist mein Begleiter eine einzige Enttäuschung.« Sie nippte an ihrem Wein. Durch lange, kunstvoll geschwärzte Wimpern warf sie ihm einen bedeutsamen Blick zu. »Junge Männer können so … jung sein.«
    »Und trübsinnige alte Männer so alt«, erwiderte Ashcroft und lachte leise.
    »Dazwischen gibt es ein Alter, das genau richtig ist.« Ihre Lippen, mit einer glänzenden Salbe rubinrot gefärbt, lächelten einladend, ihre Hand berührte seinen Arm. »Möchtest du es mir beweisen?«
    Normalerweise würde Ashcroft auf ihre Avancen eingehen. Sie war eine üppige Schönheit mit den geschicktesten Händen in ihrem Gewerbe. Und er hatte wahrhaftig keine besseren Pläne für diesen Abend.
    Er verstand nicht, warum, aber in dieser Nacht passte Katie trotz ihres offenkundigen Charmes nicht zu
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