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Eine Frage der Zeit

Eine Frage der Zeit

Titel: Eine Frage der Zeit
Autoren: Georg Sander
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hatte er zuvor ohne jegliche Gefühlsregung geschildert. Katja erschauerte vor der perversen Zielstrebigkeit, mit der dieser Mann jeden aus dem Weg räumte, der ihm gefährlich werden konnte. Sie wusste, dass er auch das Todesurteil über sie längst gefällt hatte. Nur sein übergroßer Drang zur Selbstdarstellung hielt ihn noch davon ab, es zu vollstrecken. Das war ihre einzige Chance. „Wie sind Sie eigentlich zu ihrer neuen Identität als Eric Linaud gekommen?“, fragte sie.
    „Das war der schwierigste Teil an dem ganzen Unterfangen, weil ich es natürlich nicht geplant hatte. Trotzdem ist es mir ganz gut gelungen“, prahlte er. „Ich fuhr zu unserem Auftraggeber in die Schweiz und übergab ihm seine Bilder. Dann setzte ich mich mit einem Koffer voller Geld nach Osteuropa ab. Dort ließ ich mir das Gesicht operieren. Es war unglaublich schmerzhaft und hat ein Vermögen gekostet, aber das Ergebnis kann sich sehen lassen, finden Sie nicht?“
    „Wer ist - oder vermutlich: war – der echte Eric Linaud?
    Er machte eine abfällige Handbewegung: „Irgendein armer Schlucker, der besoffen auf einer Bank im Waldenthaler Stadtpark schlief. Er hatte, wie zuvor Thomas Schatz, das Pech, ungefähr meinen Körperbau zu haben. Ich ließ ihn verschwinden und nahm seinen Pass an mich. Dummerweise war er ein Lothringer und so wurde ich gezwungenermaßen zum Franzosen. Ich musste mir sogar seine Narbe an der Wange zulegen, da sie in seinem Ausweis vermerkt war. Da ich zweisprachig aufgewachsen bin, war wenigstens der Akzent kein Problem.“
    Katja deutete mit einer Kopfbewegung auf die Bilder, die an der gegenüberliegenden Wand im Regal lagen: „Das sind vermutlich die Reste von Landaus illegaler Sammlung, die Sie seit drei Jahren hier verstecken.“
    „Ein Teil davon. Weitere Gemälde lagern oben im Haus. Die Bilder werden mir dabei helfen, mir eine Existenz mit einer neuen Identität aufzubauen. Die Exponate aus Landaus geheimer Kollektion lassen sich ohne weiteres zu Geld machen, da sie nirgendwo als gestohlen registriert sind. Einen großen Teil davon habe ich bereits unter der Hand verkauft. Meine Galerie in Saarbrücken war dafür der perfekte Deckmantel. Jetzt muss ich mir Ihretwegen einen neuen Absatzweg aufbauen. Ich hörte, an der Côte d’Azur soll es sich gut leben lassen, wenn man das entsprechende Kleingeld hat. Vielleicht werde ich ja in Südfrankreich wieder einen kleinen Kunsthandel betreiben.“ Ein leichtes Lächeln huschte über sein Gesicht. „Sie haben zwar meine Existenz als Eric Linaud zerstört, aber ein Tapetenwechsel kommt mir ganz gelegen. Saarbrücken war mir längst zu klein geworden.“
    „Sie können nicht ewig davonlaufen. Irgendwann wird man Sie finden.“
    Er lächelte. „Das, liebe Frau Marcks, muss sich erst noch zeigen. Aber das wird nicht mehr Ihr Problem sein.“ Unvermittelt sprang er auf und zog ein Klappmesser aus der Hosentasche. Mit einem widerlichen Klacken sprang die Klinge heraus. „Unsere kleine Plauderei ist hier zu Ende.“ Mit dem Messer in der Rechten machte er einen Schritt auf Katja zu und musterte sie kalt: „Ich hätte mir gerne mehr Zeit mit Ihnen gelassen, aber ich muss leider aufbrechen.“ Dann packte er sie mit einer schnellen Handbewegung im Genick und holte aus, um ihr die Klinge in den Körper zu stoßen.
    Mit dem Mut der Verzweiflung riss Katja ihr Knie hoch und traf ihn zwischen den Beinen. Stürmer stieß einen gurgelnden Laut aus und sackte zusammen. Die Tür, sie müsste irgendwie die Tür erreichen und herauskommen. Sie sprang auf, stieg über den sich am Boden windenden Stürmer hinweg. Mit den hinter dem Rücken gefesselten Händen tastete sie nach der Klinke. Als sie sie endlich zu fassen bekam, spürte sie seinen harten Griff an ihrem linken Fußgelenk. Sie versuchte gleichzeitig, sich von Stürmer loszureißen und die Tür zu öffnen, doch er ließ sich nicht abschütteln. Mit einem brutalen Ruck zerrte er sie von der Tür weg. Katja stürzte zu Boden. Schnell hatte er sie auf den Rücken gedreht und schwang sich rittlings über sie. Sein Gewicht lastete auf ihrer Brust und nahm ihr fast die Luft zum Atmen. Sein Gesicht war vor Schmerz und Wut zu einer Grimasse verzerrt. Mit der Linken packte er ihr Haar und presste ihren Kopf auf den Boden. Sie lag völlig bewegungsunfähig und starr vor Angst unter ihm, spürte den kalten Stahl der Klinge an ihrem Hals. Dann ein stechender Schmerz, als die Klinge in ihre Haut einschnitt.
    In diesem Moment
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