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Eine Frage der Zeit

Eine Frage der Zeit

Titel: Eine Frage der Zeit
Autoren: Georg Sander
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Puls. Der Riegel an der Tür wurde zurückgeschoben und Stürmer trat in den Raum. Sie erkannte trotz des schummerigen Lichts, dass er ihren Tablet PC in der Hand hielt, den er offensichtlich mitgenommen hatte, als er sie aus ihrer Wohnung verschleppt hatte. Er schloss die Tür, blieb ein paar Sekunden reglos stehen und sah Katja mit einem rätselhaften Gesich tsausdruck an. Dann warf er den Rechner in eine Ecke, wo er scheppernd liegenblieb. „Ich glaube, das gehört Ihnen.“ Er trat vor sie, entfernte mit einem Ruck das Klebeband von ihrem Mund und zog den Lappen heraus. Ihre Zunge fühlte sich pelzig und ausgetrocknet an. Sie hatte brennenden Durst.
    Stürmer griff sich einen alten Hocker und setzte sich ihr gegenüber. „Sehr schade, Frau Marcks, dass wir uns unter diesen Umständen wiedersehen. Ich hätte es wirklich vorgezogen, mich mit Ihnen in dem Restaurant in Saarbrücken zu treffen, von dem ich Ihnen heute Mittag erzählt habe.“ Obwohl er sich bemühte, Gelassenheit und Souveränität auszustrahlen, erkannte Katja seine Unsicherheit. Sein Blick flackerte und seine Bewegungen wirkten fahrig.
    „Ich habe morgen Abend noch nichts vor“, sagte sie mit krächzender Stimme. „Warum reservieren Sie nicht einen Tisch?“
    Er lachte. „Sie haben ihren Humor offenbar noch nicht verloren. Respekt.“
    „Was wollen Sie von mir? Warum bin ich hier?“
    Er seufzte theatralisch: „Sie sind leider zu klug und zu neugierig, Frau Marcks. Curiosity kills the cat.“ Sie starrte ihn nur verständnislos an. “Ihre SMS an Ihren Kollegen ist Ihnen zum Verhängnis geworden“, erklärte er.
    „Ich weiß nicht, wovon Sie reden“
    „Sie schrieben an Max Velten, dass Sie wüssten, wer der Mörder ist. Erinnern Sie sich? Er hatte sein Handy heute Mittag auf einem meiner Besprechungsstühle liegen lassen. So kam die Nachricht bei mir an. Ein wirklich extrem unwahrscheinlicher Glücksfall, finden Sie nicht auch?“
    Katja konnte es nicht fassen. Velten hatte sein verdammtes Telefon ausgerechnet bei dem Mann liegen lassen, über dessen wahre Identität sie ihn informieren wollte.
    „Wie haben Sie mich enttarnt?“, wollte er wissen.
    Sie beschloss, das Gespräch mit ihrem Entführer so gut es ging in die Länge zu ziehen. Auf Zeit zu spielen war ihre letzte, wenn auch winzig kleine Chance. „Sie hatten mir heute Morgen eine SMS geschickt, in der Sie mir die Uhrzeit für unseren Termin mitteilten, erinnern Sie sich?“
    „Natürlich, was ist damit?“
    „Sie schrieben die Uhrzeit auf die gleiche charakteristische Weise wie vor drei Jahren, als Sie Ihrer damaligen Freundin Marion Clarke mitteilten, dass Sie sich mit Fleischmann treffen wollten. Ich hatte diese SMS in den Polizeiakten gesehen. Sie haben die Angewohnheit, Stunden und Minuten durch einen Schrägstrich zu trennen und dann ohne Leerstelle ein kleines ‚h’ dahinter zu setzen. So eine Schreibweise hatte ich zuvor noch nie gesehen. Als ich die Übereinstimmung erkannte, war mir klar, wer Sie in Wahrheit sind.“
    Stürmer lachte bitter: „Alles nur eine Frage der Zeit. Jetzt verstehe ich, was Sie damit meinten. Das war sehr dumm von mir. Und sehr schlau von Ihnen. Ich hatte Marion diese SMS damals geschickt, um die Polizei auf eine falsche Spur zu locken und den Verdacht auf Fleischmann zu lenken. Diesem widerlichen Kretin hätte ich es gegönnt, dass er für ein paar Jahre in den Bau wandert.“
    „Das hatten Sie wirklich clever eingefädelt. Ihr Versuch, Velten und mich mit dem Hinweis auf das Bilderversteck in Fleischmanns Kirche in die Irre zu führen, war dagegen reichlich plump.“
    „Bitte verzeihen Sie mir“, antwortete Stürmer in gespielter Zerknirschung. „Ich hatte improvisiert.“
    „Die SMS an Marion Clarke war zwar eleganter, aber letztlich haben Sie sich durch die verräterische Uhrzeit selbst überführt.“
    „Wem haben Sie davon erzählt?“
    „Nachdem ich die SMS an Velten geschickt hatte, rief ich Kriminalhauptkommissarin Staller von der Waldenthaler Polizei an und erzählte ihr alles“, log Katja. „Ich bin sicher, dass die Fahndung nach Ihnen schon auf Hochtouren läuft.“
    Er sah sie mit zusammengekniffenen Augen an: „Sie bluffen.“
    Sie hielt seinem Blick stand, obwohl sie ihre Angst kaum noch beherrschen konnte: „Ich sage die Wahrheit.“
    Er musterte sie mit einem seltsamen Ausdruck. Fast schien es ihr, als würde er sie bedauern: „Ich habe sie hierher gebracht, um herauszufinden, ob ich meine Existenz als Eric
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