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Eine dunkle & grimmige Geschichte

Eine dunkle & grimmige Geschichte

Titel: Eine dunkle & grimmige Geschichte
Autoren: Adam Gidwitz
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Tränen über den Tod seiner Kinder verschleiert waren, drückte der König seinen treuen Diener Johannes an seine Brust.
    E nde

Fast.

Johannes lächelte sein herzliches, schiefes Lächeln und sagte: »Du hast mir deine Treue gehalten, obwohl der Preis dafür unendlich hoch war.«
    Und er setzte den Kopf des kleinen Hänsel zurück auf seinen Hals und Gretels Kopf zurück auf den ihren, und auf der Stelle begannen die Kinder zu springen und zu spielen, als ob nichts geschehen sei. Das Blut schienen sie gar nicht zu bemerken. Und der König warf seine Arme um die beiden und dann um Johannes und sie alle lachten voller Freude.
    Ende

Beinahe ...

In diesem Moment ertönten in der Eingangshalle des Schlosses die Schritte der Königin. Der König betrachtete Johannes und seine Kinder, die über und über mit Blut beschmiert waren. »So beeilt euch!«, sagte er und schob sie zu einem Wandschrank.
    Als die Königin das Zimmer betrat, fragte er sie nach ihrer Andacht. Sie erwiderte: »Mir gelingt es kaum zu beten. Immer muss ich an den armen Johannes denken, der uns so treu gedient hat und den wir verraten haben.«
    Und der König antwortete: »Was, wenn ich Euch erzählte, verehrteste Königin, dass eine Möglichkeit bestünde, ihn ins Leben zurückzuholen? Aber diese Möglichkeit würde unaussprechlich grausame Dinge beinhalten, und sie würde uns alles nehmen, was uns lieb und teuer ist? Was würdet ihr sagen?«
    »Alles würde ich geben!«, rief die Königin. »Alles! Wir dürfen nichts unversucht lassen. Wir schulden es ihm!«
    »Sogar, wenn wir unsere eigenen Kinder töten müssten?«, fragte der König.
    Die Königin rang nach Luft. Sie fiel zu Boden und weinte bitterlich. Aber zu guter Letzt sagte sie: »Ich könnte es nie tun, aber ich weiß, wir müssten es. Wir verdanken ihm unser Leben.«
    Der König seufzte erleichtert. Dann öffnete er die Schranktür, und Johannes und die beiden Kinder kamen heraus, über und über beschmiert mit Blut.
    Der König erklärte alles und die Königin weinte und lachte und drückte alle an sich und wollte vor Freude und Erleichterung gar nicht mehr aufhören.
    E nde

So etwa.

Nach den Brüdern Grimm geht die Geschichte so zu Ende. Aber in Wirklichkeit ist das nicht das Ende. Absolut nicht.
    Denn als der König seiner Frau erzählte, was passiert war, hörten Hänsel und Gretel genau zu. Und sie verstanden.
    Als sie nachts im Bett lagen, konnten sie nicht einschlafen.
    »Hänsel«, sagte Gretel.
    »Ja, Gretel?«
    »Hast du gehört, was Vater gesagt hat?«
    »Ja.«
    »Er hat uns die Köpfe abgeschlagen, um diesen alten, hässlichen Mann zu retten.«
    Hänsel schwieg.
    »Und Mutter war froh darüber. Meinst du, sie hassen uns?«
    Hänsel schwieg noch immer.
    »Ich finde, wir sollten weglaufen«, sagte Gretel. »Am Ende wollen sie es noch einmal tun.«
    »Das Gleiche habe ich auch gedacht«, antwortete Hänsel. »Genau das Gleiche ...«



E s waren einmal zwei Kinder, die ihr Zuhause verließen und in die weite, gefährliche Welt hinauszogen.
    Es war dunkel, als Hänsel und Gretel den Rasen hinter dem Burggraben überquerten. Noch nie hatten sie das Schloss alleine verlassen und sie wussten nichts von der großen weiten Welt hinter den Palastmauern. Aber sie waren zu Tode erschrocken von dem, was ihr Vater getan hatte. Tief in ihren kleinen Herzen waren sie fest davon überzeugt, dass Eltern ihre Kinder nicht enthaupten sollten. Die beiden wollten ihren Vater und ihre Mutter strafen, indem sie in die Welt hinauszogen, um eine Familie zu finden, die so fürsorglich war, wie eine Familie sein sollte.
    Aber wie findet man eine solche Familie? Sie konnten nichts weiter tun, als zu laufen, zu laufen und zu laufen, bis sie einer Familie begegneten.
    Also liefen sie weiter, immer weiter, bis der Boden unter ihren Füßen weicher wurde. Schon bald befanden sie sichin einem tiefen, dunklen Moor, wo die Blätter im Wind tanzten und Ochsenfrösche quakten. Sie bekamen es mit der Angst zu tun, aber sie blieben nicht stehen.
    Als die Sonne am nächsten Morgen aufging, war immer noch kein Ende des Moores in Sicht. Gretel machte sich Sorgen: »Ich glaube, wir haben uns verlaufen!«, sagte sie.
    Hänsel erwiderte: »Und es gibt nirgendwo etwas zu essen.«
    Aber Hänsel hatte unrecht. Denn in diesem Moment erblickten sie etwas Wunderbares. Mitten im Sumpf stand ein Haus. Die Wände hatten die Farbe von Schokoladenkuchen und das Dach glitzerte in der aufgehenden Sonne wie Kuchenglasur. Langsam
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