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Eine dunkle & grimmige Geschichte

Eine dunkle & grimmige Geschichte

Titel: Eine dunkle & grimmige Geschichte
Autoren: Adam Gidwitz
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eine Fackel wurde angezündet, um damit den großen Haufen aus Heu und Zunder zu entfachen.
    Der König beobachtete das Ganze, die Königin an seiner Seite. Sie hatte sich vom vorangegangenen Tag vollkommen erholt. Aber beide trugen schwarz und ihre Blicke waren düster.
    »Er war wie ein Vater für mich«, sagte der junge König. Die Königin ergriff seine Hand.
    Der Henker zündete die Fackel an und trug sie zu dem Scheiterhaufen. Die Funken sprangen behände auf den trockenen Zunder zu. Hinter dem König murmelten die eifersüchtigen Diener und lächelten sich an.
    Aber gerade als der Henker den Scheiterhaufen anzünden wollte, rief Johannes: »König! Dem ich treu gedient habe und dessen Vater ich treu gedient habe und dessen Vaters Vater ich zuvor treu gedient habe. Erlaubt ihr mir zu sprechen, bevor ich sterbe?«
    Der König senkte tieftraurig seinen Kopf und sagte: »So sprich.«
    Und so sprach Johannes. Er erzählte von den drei Raben auf dem Schiff. Er erzählte, wie er sie reden gehört hatte. Er erzählte von ihrer Prophezeiung über den haselnussbraunen Hengst.
    Und als er so sprach, verwandelte er sich in Stein, von seinen Zehenspitzen bis zu seinen Knien.
    Die Zuschauer hielten die Luft an. Aber Johannes sprach weiter.
    Er erzählte von der Prophezeiung über das Hochzeitskleid.
    Und als er sprach, verwandelte er sich in Stein, von seinen Knien bis zu seinem Herzen.
    Die Münder der Menge standen weit offen.
    Zuletzt sprach er von der Prophezeiung über den Tanz auf der Hochzeit.
    Und währenddessen verwandelte er sich in Stein, von seinem Herzen bis zu seinem Scheitel.
    Und dann starb er.
    Ein großes Wehklagen erhob sich. Denn zu spät hatten sie erkannt, dass Johannes bis zum letzten Atemzug treu gewesen und für seinen König sogar gestorben war.
    Der König und die Königin wollten sein Ansehen ehren und stellten Johannes, der sogar im Tod noch grotesk hässlich aussah, neben ihr Bett. So wurden sie jeden Morgen, wenn sie die Augen öffneten, und jeden Abend, wenn sie zu Bett gingen, an seine Treue erinnert und vergaßen nie, wie tief sie in seiner Schuld standen.
    Ende

Na ja, noch nicht so ganz.
    Es war eher der Anfang. Denn hier beginnt die Geschichte von Hänsel und Gretel erst richtig.
    Der König und die Königin bekamen schon bald ein wunderschönes Zwillingspaar, ein Mädchen und einen Jungen. Sie nannten den Jungen Hänsel und das Mädchen Gretel. Sie waren ihr ein und alles.
    Hänsel war dunkelhaarig wie sein Vater, mit braunen Locken und kohlrabenschwarzen Augen. Gretel hatte blonde Haare wie ihre Mutter, die aussahen, als seien sie aus purem Gold, und Augen, die glänzten wie das Meer. Sie waren fröhliche Kinder, verspielte, kleine Unruhestifter. Sie waren so fröhlich, dass ihre Eltern fast den treuen Diener vergaßen, dem sie ihr Leben verdankten und den sie so verkannt hatten.
    Fast, aber nicht gänzlich.
    Und eines Tages, als der König vor seinem Bett mit Hänsel und Gretel spielte, während die Königin in der Kapelle Andacht hielt, begann er zu weinen. »Er hat mir immer treu gedient«, sagte der König, »aber ich habe ihm nicht vertraut.« Er kniete am Fuß der Statue nieder und weinte. Als seine Tränen auf den Stein herabfielen, passierte ein Wunder. Johannes sprach.
    »Wenn Ihr es wirklich wollt, gibt es eine Möglichkeit, König, mich aus diesem Stein zu befreien«, sagte der steinerne Johannes.
    »Oh, ich möchte es!«, rief der König. »Ich würde alles tun! Wirklich alles!« Und Johannes sagte ...
    Sind wirklich keine kleinen Kinder mehr im Zimmer? Oder jemand, der sich leicht aufregt? Seid ihr sicher? Okay ...
    Und Johannes sagte: »Du musst deinen Kindern die Köpfe abhacken und meine Statue mit ihrem Blut beschmieren. Und dann, nur dann, werde ich zum Leben zurückkehren.«
    Erinnert ihr euch noch, was ich gesagt habe, was geschehen würde, wenn Hänsel und Gretel endlich auftauchen?
    Der König sackte auf seinem Bett zusammen und weinte bitterlich. Aber er fühlte, dass er keine Wahl hatte. »Du hast mir die Treue gehalten, was auch immer geschah«, sagte er. »So werde ich dir jetzt die Treue halten.« Er stand auf, winkte Hänsel und Gretel zu sich, zog sein Schwert und hackte ihnen die Köpfe ab.
    Habe ich es nicht gesagt?
    Der König beschmierte zuerst seine Hände mit ihrem Blut und dann die Statue. Genau wie vorhergesagt, kehrte Johannes zum Leben zurück. Das Blut der Kinder bedeckte ihn ganz und gar. Trotz all des Blutes und obwohl seine Augen von den
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