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Eine dunkle & grimmige Geschichte

Eine dunkle & grimmige Geschichte

Titel: Eine dunkle & grimmige Geschichte
Autoren: Adam Gidwitz
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hineinkroch. Er beobachtete sie, wie sie in dem riesigen Ofen saß – rosa, gemein und schwitzend.
    »Hey!«, rief sie. »Was tust du da?«
    Ein Gedanke flackerte in seinem vom vielen Essen umnebelten Gehirn auf. »Ich rette mich und meine Schwester«, sagte er. »Ich rette uns vor anderen schrecklichen Eltern.«
    Und dann verriegelte er die Ofentür.
    »Lass mich raus!«, schrie die Bäckersfrau. »Hey, du dummes, kleines Kind, lass mich raus!« Hänsel starrte sie durch das Fenster in der Ofentür an.
    Die Bäckersfrau begann mehr und mehr zu schwitzen. Ihr Gesicht war puterrot. »Es tut mir leid!«, schrie sie. »Ich entschuldige mich für das, was ich getan habe! Ich will nicht sterben! Lass mich raus! Lass mich raus!«
    Hänsel bekam Mitleid.
    »Bitte! Bitte! Ich sterbe hier drinnen! Ich sterbe!«
    Sie tat Hänsel leid. Aber trotzdem wollte er sie auf keinen Fall wieder befreien.
    Er ging nach oben hinter das Haus, wo Gretel in ihrem dreckigen Käfig saß. »Hast du Hunger?«, fragte er sie.
    Sie sah auf.
    »Das Abendessen brutzelt im Ofen«, fügte er hinzu.
    Aber Gretel hatte keinen Hunger.
    Hänsel hatte auch nur einen Witz gemacht.
    Ende

Nun, das ist keine üble Geschichte. Es ist ein Verbrechen, ein richtiges Verbrechen, und es ist der einzige Teil von Hänsel und Gretel , den alle kennen.
    Ja, von einer kannibalischen Bäckersfrau fast verspeist zu werden, ist schrecklich. Aber nichts im Vergleich zu dem, was noch kommt.
    Wo wir schon beim Thema sind: Falls doch noch kleine Kinder hier sind, hat ihnen dieser Teil der Geschichte vielleicht sogar noch gefallen – oder zumindest konnten sie ihn sich anhören, ohne vor Angst fast zu sterben.
    Falls also noch kleine Kinder hier sind, ist das in Ordnung. Hallo, ihr Kleinen.
    Aber jetzt wird es erst richtig schrecklich. Also, warum holt ihr jetzt nicht endlich einen Babysitter und hört euch den Rest der Geschichte alleine an?



E s war einmal ein Mann, der lebte mit seiner Frau und seinen sieben Söhnen in einem gemütlichen, kleinen Haus in einem kleinen Dorf. Seine Söhne waren stark und gut und seine Frau war freundlich und liebevoll. Man könnte glauben, dass sie eine glückliche Familie waren, und im Großen und Ganzen stimmte das auch. Doch der Vater war nicht ganz so glücklich, wie er hätte sein können. Denn nichts auf der Welt wünschte er sich mehr als eine Tochter. Aber er und seine Frau hatten sieben Mal auf ein Mädchen gehofft und waren jedes Mal enttäuscht worden. Er hatte sich damit abgefunden, dass sich sein Wunsch nach einer Tochter nie erfüllen würde.
    Stell dir seine Überraschung vor, als eines Tages ein Junge und ein Mädchen an seine Tür klopften und fragten, ob sie hereinkommen und bei ihnen leben dürften.
    Sie erzählten, dass sie von zu Hause weggerannt seien. Einmal hätten die Eltern ihnen die Köpfe abgehackt, unddas andere Mal hätte eine böse Frau versucht, sie zu essen. Der Mann nickte ihnen verständnisvoll zu, wie man zwei Verrückten zunickt.
    Die Kinder erklärten, dass sie das Haus gesehen hätten und das Kerzenlicht, das hinter den Fensterscheiben flackerte, und dass sie überlegt hätten, dass das wohl ein besserer Ort für eine Familie sei als ein Palast oder ein Kuchenhaus. Sie dachten, dass ihnen hier sicherlich niemand wehtun würde. Und so hatten sie beschlossen, bis an das Ende ihrer Tage hier zu leben, wenn der Mann und seine Frau damit einverstanden wären.
    Der Mann war von der Idee begeistert (vielleicht waren den Kindern tatsächlich die Köpfe abgehackt worden –wer wusste das schon?). Aufgeregt bat er Hänsel und Gretel ins Haus – denn natürlich waren es die beiden – und sagte seiner Frau, dass sie Essen vorbereiten sollte. Dann ging er zu seinen sieben Söhnen und befahl ihnen, zum Brunnen zu gehen und Wasser für ein Bad zu holen.
    »Wer soll ein Bad nehmen?«, fragte der älteste Sohn überrascht.
    »Eure neuen Geschwister!«, rief der Vater voller Freude. »Jetzt beeilt euch!«
    Die Jungen wunderten sich sehr darüber. Aber sie kannten das Temperament ihres Vaters und wussten, wie wütend er werden konnte. Und weil sie Angst hatten, ihm zu missfallen, nahmen sie gemeinsam die große Wanne auf ihre Schultern und liefen zum Brunnen.
    Die Frau stellte dampfende Teller beladen mit Fleisch und Kartoffeln vor die Kinder.
    Gretel zögerte. »Müssen wir bei der Hausarbeit helfen, wenn wir bei euch leben?«, fragte sie.
    Die Frau war freundlich, aber bestimmt, als sie sagte: »Das müsst
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