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Eine dunkle & grimmige Geschichte

Eine dunkle & grimmige Geschichte

Titel: Eine dunkle & grimmige Geschichte
Autoren: Adam Gidwitz
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Rabe. »Wie ich schon zuvor gesagt habe, können wir die Zukunft nur vorhersagen . Wir können sie nicht ändern. Das wäre nicht gut.«
    Von unten kam ein knackendes Geräusch, gefolgt von einem schrecklichen Kreischen. Gretel kletterte schneller. Aber die Äste weiter oben waren sehr dünn, sie verflüchtigten sich zu einem Nichts aus feinem Gehölz. Sie konnte kaum noch weiter nach oben gelangen. Und der Drache würde in jedem Moment in der Lage sein, seine Flügel zu spreizen und zu fliegen. Als Gretel merkte, dass sie nicht weiterkonnte und ihr kein Ausweg mehr blieb, begann es um ihren Kopf herum wild zu flattern. Um sie herum flogen drei sehr ärgerliche Raben.
    »Hast du das gesehen? Unser Nest! Unser Nest wurde zerstört. Es wurde vollkommen zerdrückt! Unglaublich! Wie unglaublich unrücksichtsvoll!«
    Der zweite Rabe flatterte neben den dritten. » Rücksichtslos heißt das, glaube ich.«
    »Beide Wörter sind richtig«, sagte der erste Rabe beschwichtigend.
    »Das verdammte Wort ist mir vollkommen egal!«, schrie der dritte Rabe. »Aber unser Nest ist mir verdammt wichtig!«
    Plötzlich wurde Gretel von einem Luftzug fast vom Baum gefegt. Sie drehte sich um. Der Drache flatterte neben ihr, seine durchsichtigen Flügel bewegten sich auf und ab und er starrte sie mit seinen goldenen Augen an. Sein großes Maul war nur ein paar Meter entfernt. Er öffnete es.
    »Angriff!«, brüllte der dritte Rabe, und in dem seltsamsten Anflug von Heldentum, den Gretel je gesehen hatte, stürzte er sich auf den Kopf des Drachen. Der Drache schnappte nach ihm und der Rabe flatterte zurück zum Baum.
    »Rückzug!«, krächzte er. »Vorübergehender Rückzug!«
    Der dritte Rabe hatte offensichtlich keine Angst vor dem Sterben. Wie der Rabe gesagt hatte, es gibt Dinge, die diese Raben tun, und Dinge, die sie nicht tun. Sterben gehört zu der zweiten Gruppe.
    Aber natürlich ist es selbst für eine unsterbliche Kreatur eine sehr unschöne Erfahrung, im Bauch eines Drachen gefangen zu sein.
    Aber noch unschöner wäre es, zumindest vermute ich das, aus dem Bauch auf natürlichem Weg wieder herauszukommen.
    Der Drache kam näher und schnappte nach Gretels Füßen. Gretel konnte seinen schrecklichen Atem riechen, das Blut und den Schaum zwischen seinen langen, scharfen Zähnen sehen und seinen Herzschlag hören, der sich mit dem Schlagen seiner riesigen Schwingen abwechselte. Er wandte sich ihr zu, nicht nur mit seinem Kopf, sondern mit seinem ganzen Körper. Er zerbrach den Ast, auf dem Gretel gerade stand. Sie fiel und griff nach dem Einzigen, das sie erreichen konnte. Und das war der Nacken des Drachen.
    Der Drache bäumte sich auf. Wenn er vollkommen bei Sinnen gewesen wäre, hätte er Gretel vielleicht von seinem Rücken abgeschüttelt. Aber weil er betrunken war, wirbelte er nur herum und schnappte nach seinen eigenen Schultern.
    »Kämpfe, Mädchen!«, schrie der erste Rabe.
    »Juhuuu!«, rief der zweite Rabe.
    »Ich komme!«, krächzte der dritte Rabe und stürzte sichauf die Augen des Drachen. Der Drache wandte sich von der Attacke ab und schlug drei- oder viermal mit den Schwingen, um sich über den Baum zu erheben. Die Raben folgten ihm.
    Höher und höher hinauf in den sternenklaren Himmel erhoben sie sich. Gretel hielt sich an der schuppigen, geschmeidigen Haut des Drachen fest. Sie fühlte seine Muskeln unter ihren Händen. Manchmal wandte er sich um und schnappte nach ihr, aber sie saß zu nahe an seinem Kopf, als dass er sie erreichen konnte. Sie hatte Angst, er könne seine Krallen benutzen, um sie loszuwerden, wie ein Hund seine Flöhe. Aber ein Drache ist kein Hund, und diese Idee kam ihm anscheinend nicht.
    Von Zeit zu Zeit tauchten die Raben neben Gretel auf und gingen auf die Augen des Drachen los.
    »Rache für unser Nest!«, rief der dritte Rabe.
    »Das Nest eines Vogels ist sein Schloss!«, rief der zweite Rabe, der endlich auch Feuer gefangen hatte.
    »Habeas corpus!«, rief der erste Rabe triumphierend.
    Der Drache flog immer höher. Die Luft um Gretels Hände wurde kalt und ihre Knöchel wurden blau. Schon bald waren Gretel und der Drache höher, als die Raben fliegen konnten, aber für den Drachen schien das kein Problem zu sein. Die dünnen Schwingen trugen sie höher und höher und noch höher, bis Gretel Schwierigkeiten beim Atmen hatte und ihr schwindelig wurde. Der Drache stieg immer weiter nach oben.
    Und dann hörte Gretel eine Stimme. Sie war tief und sanft und sie sagte: »Ich rieche, rieche
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