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Eine dunkle & grimmige Geschichte

Eine dunkle & grimmige Geschichte

Titel: Eine dunkle & grimmige Geschichte
Autoren: Adam Gidwitz
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herunter. Sie war bedeckt vom schwarzen Blut des Drachen.
    »Wir haben ihn verwundet«, sagte Gretel. »Wir haben zwei seiner Zehen abgeschlagen und sein Gesicht verletzt.« In ihrer Erklärung ließ sie aus, dass der Mond die Hälfte seiner Wange abgebissen hatte. Sie war nicht sicher, ob die Menschen das verstehen würden.
    Ihre Nachricht wurde mit einem lauten Gejohle kommentiert.
    »Ihn verwundet!«
    »Zwei seiner Zehen!«
    »Sein Gesicht verletzt!«
    Der bärtige Mann drückte ihre Schultern mit seiner fleischigen Hand. »Seht ihr? Das war nur die erste Schlacht. Das nächste Mal kriegen wir ihn. Und jetzt, wo wir wissen, dass er zu schlagen ist, werdet ihr Tausende von Rekruten mehr haben. Zehntausend mehr!«
    »Und der Drache wird das nächste Mal tausend Mal schlauer vorgehen!«, rief der junge Mann aus der Ecke. »Und zehntausend Mal wütender sein! Wie viele Menschen müssen noch für diesen … Kinderkram sterben? Es wird noch schlimmer werden als vorher. Er wird sich rächen. An uns allen.«
    Ein paar Leute in der Taverne murmelten zustimmende Worte.
    »Was haben wir nur getan?«, murmelte der Narbige.
    Gretels Gesicht brannte. Hänsels Lippen waren zusammengepresst, so fest, dass sie weiß wurden.
    »Es liegen Tote im Wald«, sagte Hänsel schließlich.
    »Ja«, sagte der Bärtige. »Wir kümmern uns um sie. Ihr geht jetzt besser nach Hause.«
    Die Kinder drehten sich um und gingen aus dem Gasthaus. Als sich die Tür hinter ihnen schloss, wurde sie von einem Gegenstand getroffen, der polternd zu Boden fiel.
    Sie gingen zum Schloss zurück, als der östliche Horizont sich gerade von Schwarz in Dunkelblau verfärbte. Der Mond war untergegangen, die Luft war kalt und feucht. Nach einer Weile sagte Gretel: »Das alles hätte nie so passieren dürfen.«
    »Und?«, fragte Hänsel verdrossen. »Es ist nun einmal passiert.«
    »Aber warum?«, fragte Gretel und schüttelte ihren Kopf. »Er muss irgendwie Bescheid gewusst haben.«
    »Wer soll was gewusst haben?«
    »Der Drache.«
    »Wovon sprichst du?«
    »Er wusste über den Plan Bescheid. Er hat die Äpfel gesehen und uns von hinten angegriffen.«
    »Er wusste nicht Bescheid«, widersprach Hänsel. Ihm war kalt. Er rieb seine Arme.
    »Er wusste Bescheid. Über alles, nur nicht über den Wein.« Gretel stampfte wütend auf. »Wer kannte unseren Plan?«
    »Er wusste nicht Bescheid«, wiederholte Hänsel. »Vielleicht hat er geahnt, dass die Äpfel eine Falle waren.« Sein Magen schmerzte. »Es war ein dummer, kindischer Plan.«
    »Nein«, sagte Gretel. »Nein, er wusste Bescheid.«
    Als sie im Palast ankamen, rannte die Königin auf sie zu und nahm sie in die Arme. »Oh, meine Lieben! Ihr seid in Sicherheit! Gott sei Dank, ihr seid in Sicherheit!«
    Sie erzählten ihr, was geschehen war, und ihr Gesicht wurde ganz ernst. »Ihr habt ihn verletzt. Keiner hat das je zuvor geschafft.«
    Die Kinder nickten.
    »Ihr wart tapfer. Sehr tapfer.« Und sie zog sie an sich. Als sie die beiden losließ, fragte Hänsel: »Wo ist Vater?«
    »Er hat sich in seinem Zimmer eingeschlossen, als ihr gegangen seid«, antwortete die Königin. »Er hatte solche Angst um euch beide, dass er am ganzen Körper gezittert hat. Er sagt, dass er sich beim Rasieren geschnitten hat. Die Wunde scheint ziemlich tief zu sein.«
    »Geht es ihm gut?«, fragte Gretel.
    »Es geht mir bestens.« Die Stimme ihres Vaters hallte von der anderen Seite des Saals. Er hatte einen Verband um seinen Kopf gewickelt und humpelte auf Gretel zu. Er nahm sie in die Arme. »Wie dumm von mir, mich gerade jetztrasieren zu wollen. Wenn der Barbier mich rasiert, dann beruhigt mich das immer ... aber vergesst euren dummen Vater. Geht es euch gut?« Er sah das Drachenblut auf Gretels Kleidung. »Was ist mit dir passiert? Was ist das?«
    Und so setzten sie sich alle vor den Kamin und Hänsel und Gretel erzählten auch ihm die ganze Geschichte.
    »Ihr wart sehr tapfer«, sagte der König, als sie fertig waren. »Und ihr habt beinahe eine unglaublich großartige Tat vollbracht. Ihr habt das Königreich beinahe von dem Drachen befreit.«
    »Beinahe«, wiederholten Hänsel und Gretel im Chor und das Wort blieb ihnen im Hals stecken. Sie sahen all die Toten im Wald vor sich.
    Dann brachten der König und die Königin ihre Kinder zu Bett. Hänsel half seinem humpelnden Vater die Treppen nach oben. Als sie im Bett lagen, gaben ihr Vater und ihre Mutter ihnen einen Gutenachtkuss. Dann schlossen sie die Tür und gingen weg.
    Als ihre
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