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Eine besondere Herzensangelegenheit

Eine besondere Herzensangelegenheit

Titel: Eine besondere Herzensangelegenheit
Autoren: Milena Mayfeldt
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Papiere einfach liegen ließ und hoch erhobenen Hauptes aus dem Zimmer stapfte, hörte ich immer noch das zufriedene Kichern meines Chefs hinter mir.
    Es wurmte mich, nicht ernst genommen zu werden. Ich wusste, was ich beruflich drauf hatte, daher hatte ich auch keinerlei Probleme, so mit meinem Chef umzugehen, denn er wusste genauso, was er an mir hatte. Vielleicht war aber auch gerade das ein Teil des Problems.
    Der letzte Satz von mir war eindeutig nicht klug gewesen, dachte ich ein wenig reumütig, als ich den Flur zu meinem Büro entlanglief, um meine Sachen zusammenzupacken. Genau so eine unbedachte Bemerkung hatte mir den ganzen Schlamassel schließlich eingebrockt.
    Fast genau eine Woche zuvor hatte ich in einem Nebensatz fallen lassen, dass es mein Job mit Sicherheit auf die Top-Ten-Liste der weltweit langweiligsten Beschäftigungen schaffen würde. Für mich war das keine weltbewegende Feststellung gewesen, schließlich galt der Beruf einer Buchhalterin in einem Werk für Plastik-Kleinteile nicht unbedingt als besonders aufregend, aber mein Chef hatte anscheinend sofort beschlossen, diesem Zustand Abhilfe zu schaffen. Mein besonderes Pech war dabei gewesen, dass er seit Kurzem ein glühender Anhänger des neuen Scherzartikelladens namens Knallbonbon war, der in der Heidelberger Fußgängerzone aufgemacht hatte.
    Völlig unvorbereitet hatte er mich schon am folgenden Montag getroffen, als er mich freudestrahlend mit ausgestreckter Hand begrüßt hatte. Als brave Angestellte hatte ich ihm natürlich folgsam die Hand schütteln wollen, obwohl ich mich schon sehr darüber gewundert hatte. Bis auf das eine Mal bei meinem Vorstellungsgespräch hatte er mich noch nie auf diese Art begrüßt, und das lag immerhin schon fast drei Jahre zurück.
    Ich hatte ja nicht ahnen können, dass es nur darum ging, das winzige Gerät an mir zu testen, das er in seiner Handfläche verborgen gehalten hatte. Bei einem Händedruck gab es kleine Stromstöße ab, nicht stark genug, um jemanden ernsthaft zu verletzen, aber für einen Schrecken reichte es allemal. Ich war zusammengezuckt und dermaßen perplex gewesen, dass ich ihn nur mit großen Kuhaugen angestarrt hatte, während er über seinen gelungenen Streich gar nicht mehr aus dem Grinsen herausgekommen war.
    Am Mittwoch – ich wusste immer noch nicht, wie ich Zinkelmanns Verhalten einordnen sollte – hatte er dann den sprichwörtlichen Vogel abgeschossen, und es war nicht nur ein Spatz gewesen, sondern mindestens eine Ente, wenn nicht sogar ein Emu.
    Christoph Bergener, der Geschäftsführer einer Firma, die mit uns zusammenarbeitete, kam zu einer ausgedehnten Besprechung. Wie immer hatte mich mein Chef eingeplant, bei dem Treffen dabei zu sein, obwohl ich gar nichts dazu beisteuern konnte und mich jedes Mal tödlich langweilte.
    Normalerweise zumindest. Nur diesmal nicht.
    Nach zwei Stunden Smalltalk, der nur hin und wieder durch ein paar geschäftliche Fragen unterbrochen worden war, sehnte ich das Ende der Besprechung herbei. Wie immer bot Zinkelmann seinem Besucher zum Abschluss eine dicke Zigarre an, während ich damit kämpfte, nicht vor Langeweile einzuschlafen und vom Stuhl zu fallen.
    Ich hasste den Zigarrenqualm und wandte mich gerade angewidert ab, als plötzlich ein ohrenbetäubender Knall ertönte. Erschreckt fuhr ich hoch und schrie auf. Bergener reagierte noch extremer. Mit einem gewagten Hechtsprung brachte er sich hinter einem Aktenschrank in Deckung und kauerte sich schutzsuchend zusammen. Sein Gesicht war leichenblass und er zitterte am ganzen Körper.
    Dabei sollte ich vielleicht noch erwähnen, dass er die drei Jahre davor als Sicherheitsberater in verschiedenen Kriegsgebieten unterwegs gewesen war.
    Bergeners extreme Reaktion verursachte bei meinem Chef aber keineswegs ein schlechtes Gewissen. Ganz im Gegenteil, er saß zufrieden grinsend wie eine satte Bulldogge in seinem Stuhl und freute sich diebisch über seinen gelungenen Coup.
    »Mini-Knallkörper aus dem Scherzartikelladen«, erklärte er überflüssigerweise. »Einer meiner absoluten Favoriten. Man steckt sie einfach in eine Zigarre oder Zigarette. Und wenn man sie dann anzündet.« Mit den Händen stellte er pantomimisch eine Explosion dar. »Die haben ordentlich Wumms, was?«
    Ich hatte immer noch das teigig weiße Gesicht des Geschäftsführers vom Mittwoch vor Augen, als ich auf die Straße trat und mich auf den Weg zur S-Bahn machte. Mir graute schon davor, was mir in der nächsten Woche
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