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Eine Art von Zorn

Eine Art von Zorn

Titel: Eine Art von Zorn
Autoren: Ambler
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Unsinn! Er hat bereits gewußt, daß wir der Polizei den Rest von Arbils Dokumenten übergeben. Das habe ich ihm gesagt. Eine unvollendete Geschichte des kurdischen Volkes.«
    Er zuckte die Achseln. »Im Radio war von Geheimdokumenten die Rede – von Dokumenten, die an das Deuxième Bureau weitergeleitet worden seien. Natürlich war er aufgebracht. Natürlich glaubte er, ihr hättet ihn übers Ohr gehauen.«
    Auch Lucia war jetzt aufgestanden. Ihre Augen blitzten. »Wieviel, Patrick?« Ihre Stimme wurde lauter. »Wieviel?«
    Er seufzte. »Die Hälfte«, sagte er ruhig.
    »Lügner!«
    »Die Hälfte. Zweihundertfünfundvierzigtausend Francs. Ich werde es euch zeigen.« Er ging zum Safe.
    »Lügner!« Sie riß sich die Perücke herunter und warf sie nach ihm.
    Sie traf ihn nicht und fiel mit einem schwachen Plumps auf den Aubusson.
    »Aber, aber, Kinder.«
    »Espèce d’ordure!«
    »Wir wollen vernünftig sein.«
    »Merde, alors.«
    »Pierre, könnten Sie sie dazu bringen, daß sie mit Schreien aufhört?«
    »Mir ist selbst danach zumute«, sagte ich. »Außerdem ist mir danach zumute, Brigadier Farisi anzurufen, um genau festzustellen, wieviel er Ihnen gegeben hat.«
    »Er ist mit dem Fünf-Uhr-Flugzeug abgeflogen.« Er lächelte vorwurfsvoll. »Beruhigt euch doch, Kinder! Zweihundertfünfundvierzigtausend Francs, abzüglich meiner dreiundsiebzigtausend, bringen euch einen Reingewinn von fast vierzigtausend Dollar. Und das alles für ein Bündel gelbes Papier, das …«
    Es dauerte noch zehn ohrenbetäubende Minuten, um seine Provision von dreiundsiebzig auf dreiundvierzigtausend zu reduzieren. Während der ganzen Zeit blieb er gutgelaunt und gelassen. Da er höchstwahrscheinlich die andere Hälfte des Geldes schon irgendwo im Haus sicher versteckt hatte, war das nicht weiter verwunderlich.
    Dann wurde er ganz offen. »Liebling«, sagte er vorwurfsvoll, »du benimmst dich dumm. Deinetwegen wäre ich heute abend nicht hierhergekommen. Wenn Pierre nicht gewesen wäre und all die bösen Dinge, die er über mich hätte drucken lassen können, wäre ich vielleicht direkt nach Italien zurückgefahren. Da aber Pierre auch an dem Geschäft beteiligt ist, kann er nichts schreiben. Wir bleiben also Freunde.«
    Er fragte nicht, wie hoch mein Anteil sein würde; ich glaube nicht, daß es ihn überhaupt interessierte; aber nachdem er Lucia die zweihundertzweitausend gegeben und sie beobachtet hatte, wie sie sie grimmig in ihre Handtasche stopfte, widmete er meiner Zukunft einige Überlegungen.
    »Wißt ihr«, sagte er, »Pierres Plan mit der Zeitschrift ist nicht übel – ganz und gar nicht übel. Vom Standpunkt der Kapitalinvestition, meine ich. Sobald die Sache läuft, ist das eine ständige Einnahmequelle. Ich hätte gar nichts dagegen, mich selbst daran zu beteiligen. Allerdings gibt es ein Problem. Falls er noch einmal beginnen sollte, muß er das in Form einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung machen. Andernfalls ist das persönliche Risiko zu groß. Das würde in Frankreich für einen Ausländer jedoch schwierig sein. Nach französischem Recht muß der Hauptaktionär einer hier eingetragenen Gesellschaft mit beschränkter Haftung ein französischer Staatsbürger sein. Das bedeutet, daß er jemanden finden muß, dem er vertrauen kann.«
    Sie dachte einen Augenblick lang nach, dann zuckte sie die Achseln. »Das ist seine Angelegenheit.« Sie warf mir einen bedeutsamen Blick zu. »Vergiß die paar Sachen nicht, Pierre, die du im Schlafzimmer liegengelassen hast.«
    »Ach ja.«
    Sanger kam mit einem Lächeln auf mich zu. »Ich habe Adèles Revolver an mich genommen«, sagte er, »und ihre Autoschlüssel auch. Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen?«
    »Natürlich nicht. Bitte bemühen Sie sich nicht. Ich finde allein hinauf.«
    Einen Augenblick lang fürchtete ich, daß er darauf bestehen würde, mich zu begleiten, aber Lucia rettete die Situation. Sie warf ihr Kognakglas um.
    »Das tut mir leid«, hörte ich sie in giftigem Ton sagen, als ich die Treppe hinaufging. »Aber es ist kein Wunder, daß ich nervös bin. Wenn man geglaubt hat, mit einem Freund Geschäfte zu machen, und dann entdecken muß, daß keine Spur von Freundschaft vorhanden ist, sondern nichts als Eigennutz, dann können einem die Hände schon zittern.«
    Ich fand die beiden Kuverts mit Skurletis Geld, wo wir sie versteckt hatten – unter dem Teppich im Gästezimmer.
    Ich steckte sie in meine Rocktaschen, packte den Koffer und trug ihn hinunter.
    Sanger
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