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Eine Art von Zorn

Eine Art von Zorn

Titel: Eine Art von Zorn
Autoren: Ambler
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zusammen.
    Er lächelte sie freundlich an. »Lucia mißtraut ihren Freunden auch dann, wenn sie sich bewährt haben.«
    Sie drehte sich zu ihm, ihr Gesicht war vor Zorn gerötet. »Ich sagte schon, daß ich Adèle decken würde, und das werde ich tun.«
    »Und mich auch, hoffe ich.« Er warf mir einen amüsierten Blick zu. Diese Frauen!
    »Sagen Sie uns, was Sie im Sinn haben«, sagte ich kurz.
    »Nun gut.« Er setzte sich im Sessel zurecht. »Zur Sache. Lucia hat mir erzählt, was ihr der Polizei sagen wollt. Das ist gut. Ich finde, ihr solltet gleich morgen früh hingehen.«
    Lucia und ich wollten sofort Einspruch erheben. Er hob die Hände.
    »Moment mal. Wollt ihr es hören oder nicht?« Er spielte den Unverstandenen, der es leid war, ungerecht behandelt zu werden.
    Wir schwiegen.
    Nach einer Weile fuhr er mit ruhiger Stimme fort: »In dem Augenblick, in dem ihr zur Polizei geht, werden mehrere Dinge passieren. Zuerst einmal werden die Agenten des Komitees aus dem Konzept gebracht werden. Sie werden nach dem Grund für diesen Schritt suchen und beunruhigt sein. Denn wenn ihr diese Dokumente der französischen Polizei übergebt, werden sie rasch in die Hände der irakischen Polizei gelangen, was für die Dagh- Verschwörer und ihre Verbündeten schreckliche Folgen haben wird. Die Agenten sehen sich also plötzlich in die Defensive gedrängt. Wenn Brigadier Farisi dann noch einen Flug nach Bagdad mit Zwischenlandung in Ankara und Aleppo bucht, werden ihre Befürchtungen verstärkt. Sie werden daraus schließen, daß man ihn zurückberufen hat, ihn zwar weiterhin überwachen lassen, aber von weniger Leuten und nicht mehr so genau. Kapiert?«
    »Ja. Weiter.«
    »Ihr werdet von der Polizei verhört. Brigadier Farisi hat seinen Heimflug gebucht. Was dann? Alles scheint vorbei zu sein. Wer wird bemerken, daß ein gewisser Monsieur Sanger ein Appartement im gleichen Hotel und im gleichen Stockwerk wie Brigadier Farisi gemietet hat? Wer wird wissen, ob Brigadier Farisi auf seinem Weg zum Lift einen kleinen Umweg macht und einige Minuten bei Monsieur Sanger verbringt? Niemand.« Er spreizte die Hände. »Das Geschäft ist erledigt.«
    Ich sah Lucia an. Sie sah mich an und seufzte müde.
    »Das klingt vernünftig, chéri. «
    »Aber an eins hat er nicht gedacht«, sagte ich. »Farisi wird zur Bank gehen müssen, um das Geld abzuheben. Das wird seinen Beschattern auffallen, oder?«
    Sanger grinste. »Ich würde wetten«, sagte er, »daß Farisi bereits heute zur Bank gegangen ist und vereinbart hat, daß das Geld morgen durch einen Boten geliefert wird. Das würde ich an seiner Stelle tun. Das wäre eine naheliegende Vorsichtsmaßnahme. Wissen kann ich es natürlich nicht. Ein gewisses Risiko bleibt. Womit ich bei der letzten Frage wäre.«
    »Ihr Anteil?«
    »Genau.«
    Lucia seufzte nicht einmal. Sie hatte aufgegeben.
    »Was schlagen Sie vor?«
    »Ein Drittel?«
    Lucia stöhnte. Ich stöhnte auch, bloß innerlich, aber voll Sympathie. Jetzt mußte er gleich den Preis erfahren, den ich mit Farisi vereinbart hatte. Ich versuchte zu feilschen.
    »Fünfzehn Prozent«, sagte ich.
    »Aber zehn Prozent bekomme ich bereits«, protestierte er. »Ihr könnt doch nicht erwarten …«
    »Fünfzehn Prozent von vierhundertneunzigtausend Francs«, sagte ich. »Diese Summe wird Farisi nämlich zahlen.«
    Ich hatte die winzige Genugtuung, zu sehen, wie ihm der Mund einen Augenblick lang offenblieb. Dann faßte er sich wieder.
    »Tiens!« sagte er leise.
    »Und fünfzehn Prozent sind …« Ich begann es auszurechnen.
    »Dreiundsiebzigtausendfünfhundert Francs!« Das war natürlich Lucia. »Dreiundsiebzigtausend – nur dafür, daß du dir in einem Hotel ein Zimmer nimmst!«
    »Und für die Idee und dafür, daß ich ein gewisses Risiko auf mich nehme.«
    »Risiko? Nach dem, was Pierre getan hat? Das ist eine Beleidigung!«
    »Dann ziehe ich das Angebot zurück«, sagte er freundlich. »Pierre soll das Hotelzimmer nehmen.«
    »Espèce de chameau!«
    »Einverstanden?«
    Sie sah mich an. Ich nickte.
    »Einverstanden.«
    Fünf Minuten später, nachdem wir die Einzelheiten besprochen hatten, rief ich Farisi an und unterbreitete ihm den Plan. Er stimmte ihm voll und ganz zu. Der Besuch im Ambulatorium war ihm offensichtlich ebenso unangenehm gewesen wie mir. Er stellte nur eine Frage.
    »Wie soll ich wissen, daß es keine Falle ist, wenn mich dieser Mann anruft? Wie soll ich wissen, daß es der Richtige ist? Es muß ein Zeichen vereinbart werden.
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