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Eine Art von Zorn

Eine Art von Zorn

Titel: Eine Art von Zorn
Autoren: Ambler
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Befürchtungen unbegründet waren. Hatte ich die Dokumente im Koffer nicht gelesen? Nein. Warum nicht? Ich kann kein Arabisch lesen. Hatte mir Mademoiselle Bernardi über den Inhalt etwas gesagt? Nein. Vor was hatte sie sich meiner Meinung nach gefürchtet? Davor, daß die Männer, die Oberst Arbil ermordet hatten, um in den Besitz der Aufzeichnungen zu gelangen, auch sie ermorden würden.
    So schien es endlos weiterzugehen. Meine Uhr war stehengeblieben, ich hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Einmal wurde Essen hereingebracht. Dann wurde das Verhör fortgesetzt.
    Ich hatte mich in dem Haus in Cagnes aufgehalten, nicht wahr? War es nicht seltsam, daß die femme de ménage keine Spur von meiner Anwesenheit bemerkt hatte? Nein, gar nicht. Sie war diskret und zudem halbblind. Wo hatte ich in dem Haus geschlafen? Im Abstellraum. Wo im Abstellraum? Auf den Kissen für die Gartenstühle. Wo hatte ich mich an dem Morgen rasiert? Mademoiselle Bernardi hätte mir einen Rasierapparat geliehen. Hatte ich vielleicht auch das Bett mit der Dame geteilt? Diese Frage sollten sie der Dame selbst stellen. Würde ich mich weigern, mich durchsuchen zu lassen? Nein.
    Es nahm kein Ende.
    Es muß schon später Nachmittag gewesen sein, als sie mich in eine Art Warteraum führten und mich dort allein ließen. Einige Minuten später trat Bob Parsons ein. Einer der Rechtsanwälte begleitete ihn, ein kleiner, dicker Mann mit herrischer Miene.
    Bob sah müde aus. »Nun, Piet«, sagte er, »der Liebling der Polizei sind Sie ja gerade nicht, aber ich glaube, Sie haben es überstanden. Maître Casier hier sagt, daß man Sie nicht festhalten wird.«
    »Was ist mit Lucia?«
    »Vor ungefähr einer Stunde sind ein paar Polypen aus Zürich angekommen, die jetzt bei ihr sind. Hat sie ihnen mehr zu sagen, als was im Interview stand?«
    »Nein.«
    »Dann wird auch sie bald frei sein. Aber es gibt noch ein Problem.«
    »Was für eins?«
    »Unsere Kollegen von der Konkurrenz. Etwa 50 davon warten draußen.«
    »Großer Gott!«
    »Ich habe mit Sy gesprochen. Er wiederum hat mit New York gesprochen. Die Geschichte kommt für uns zu früh, und sie ist zu heikel. Deshalb werden wir sie in einer Stunde etwa an die Nachrichtenagenturen weitergeben. Die Bilder von heute morgen sind schon per Flugzeug nach Paris unterwegs. Sie werden einige davon veröffentlichen. Die besten haben wir zurückbehalten.«
    »Was ist mit den Leuten draußen?«
    »Nun, die werden von Ihnen und dem Mädchen ein paar Bilder machen. Was Erklärungen anbetrifft, so hat die Polizei deutlich zu verstehen gegeben, daß sie diese lieber selber abgibt, und zwar erst, wenn Arbils Dokumente vom Deuxième Bureau untersucht worden sind. Sie dürfen also nichts sagen.«
    »Nun, wenigstens etwas. Wann kommen wir hier raus?«
    »Sobald sie mit Lucia fertig sind, nehme ich an. Das dürfte jetzt nicht mehr lange dauern.«
    Maître Casier mischte sich ein. »Es gibt noch ein kleines Problem, Monsieur Maas. Die Polizei wünscht, daß Sie und Mademoiselle Bernardi in dieser Gegend bleiben und sich täglich bei der Polizei melden. Der Geheimdienst hat darum ersucht. Möglicherweise will man Ihnen später noch Fragen stellen, nachdem die Dokumente Arbils übersetzt und auf ihren Wert hin überprüft worden sind.«
    »Gut.«
    »Und damit wären wir bei einem neuen kleinen Problem, Piet.« Bob Parsons sah plötzlich verlegen drein. »Zumindest nehme ich an, daß es ein Problem ist.« Er schmunzelte. » Sie werden es mir sagen müssen. Ich habe Ihr Gepäck aus dem Hotel beim Bahnhof holen lassen und für Sie ein Zimmer im Negresco bestellt. Jetzt sagt mir Maître Casier allerdings, Lucia beabsichtige, heute abend in das Haus in Cagnes zurückzukehren. Sie sagt, sie habe ja schließlich die Miete im voraus bezahlt. Die Polizei hat dagegen nichts einzuwenden. Nun, es hat den Anschein, als erwarte sie, von Ihnen begleitet zu werden. Wohl eine Vereinbarung, die Sie beide vorher getroffen haben, nicht wahr?«
    »Sie behauptet«, sagte der Anwalt mit fester Stimme und in anklagendem Ton, »daß Sie, als Sie sie dazu überredeten, sich der Polizei zu stellen, ausdrücklich versprochen hätten, bei ihr zu bleiben und sie vor den aufdringlichen Presseleuten zu schützen. Aufgrund dieses Versprechens hätte sie Ihnen vertraut.«
    Es fiel mir schwer, ernst zu bleiben. So zögernd wie ich konnte, sagte ich: »Nun ja, kann schon sein, daß ich ihr so was Ähnliches gesagt habe.«
    »Und da Sie auf jeden Fall der Polizei
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