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Eine Art von Zorn

Eine Art von Zorn

Titel: Eine Art von Zorn
Autoren: Ambler
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daran.« Er setzte sich. »Was geschah heute abend?«
    Ich trank das Glas zur Hälfte leer und sah Lucia dann an.
    Sie zuckte die Achseln. »Es macht nichts, wenn er es jetzt erfährt.«
    Er ließ sich durch ihre Feindseligkeit nicht aus der Ruhe bringen und blieb gutmütig.
    Ich erzählte ihm von meinem Abenteuer im Ambulatorium. Als ich fertig war, sah Lucia entsetzt drein.
    »Ja. Es ist zu gefährlich.« Der Whisky half mir sehr. »Für morgen abend müssen wir uns etwas Besseres einfallen lassen. Ich habe versprochen, ihn heute abend anzurufen. Über etwas brauchen wir uns immerhin keine Sorgen zu machen.«
    »Und das wäre?«
    »Der Brigadier selber«, sagte ich. »Er ist ein sehr gelassener Bursche, der weder Dummheiten macht noch gar den Kopf verliert. Und er ist gewohnt, Befehle ganz genau zu befolgen. Wir müssen ihm jetzt nur den richtigen Befehl erteilen. Ich habe auf dem Rückweg darüber nachgedacht, ob es wohl möglich ist, auf dem Flugplatz von Nizza ein leichtes Flugzeug zu chartern.«
    »Ich nehme an. Warum?«
    Um es besser zu erklären, stand ich auf. »Ich habe mir folgendes gedacht: Morgen früh geht er in ein Reisebüro und bucht einen Platz in einem Kursflugzeug, das am Abend nach Paris fliegt. Seinen Beschattern wird diese Reservierung nicht entgehen. Er fährt dann wieder ins Hotel zurück, von wo er über eine Außenleitung beim Flugplatz ein Flugzeug chartert, das ihn etwa zur selben Zeit nach Cannes bringt. Seine Beschatter werden das erst merken, wenn es zu spät ist, wenn er schon in der Luft ist. In Cannes nimmt er ein Taxi und trifft mich hier irgendwo in der Nähe – vielleicht auf dem Golfplatz. Wie findest du das?«
    Sie überdachte es, dann hellte sich ihre Miene auf. »Das ist großartig.«
    »Nun, ich weiß nicht recht. Zuerst müssen wir feststellen, ob es möglich ist, ein Flugzeug zu chartern. Und wir müssen den Treffpunkt sorgfältig auswählen. Wir dürfen dem Taxichauffeur nicht auffallen.«
    Bis jetzt hatte Sanger geschwiegen und uns beob­achtet; aber jetzt begann er plötzlich zu lachen.
    Lucia blickte ihn finster an.
    Er lachte weiter. Es wurde lästig.
    »Was ist so lustig?« fragte ich.
    »Sie«, sagte er. Er verschluckte sich, hustete, stellte das Glas nieder und wischte sich mit einem Taschentuch das Gesicht ab. »Tut mir leid, aber es ist wirklich sehr komisch.«
    »Der Plan?«
    »Nein, nein. Der ist genial. Ich habe über Sie gelacht.« Wieder begann er zu lachen.
    » So?« J etzt begann ich mich zu ärgern.
    »Bitte, verzeihen Sie.« Der Lachanfall war vorbei. »Ich habe zugehört und kann nur staunen. Zuerst Ihr Abenteuer im Ambulatorium und jetzt dieser Plan.« Er schüttelte verwundert seinen Kopf und sah lächelnd zu mir auf. »Haben Sie überhaupt eine Ahnung, mein Freund, wie sehr Sie sich innerhalb der letzten Tage verändert haben?«
    »Ich hatte andere Sorgen«, sagte ich ungeduldig. »Ich habe sie noch immer.«
    Er beachtete meine Bemerkung nicht, starrte mich immer noch verblüfft an und fuhr dann fort: »Vor einer Woche saß in diesem Zimmer ein Selbstquäler, von der Aura des Todes umgeben, und entschuldigte sich für die Unzulänglichkeit seiner Existenz. Wenn ich ihn mit dem Erzgauner vergleiche, der die Polizei narrt und tollkühne Pläne macht, um Geheimpapiere an die Vertreter einer ausländischen Macht zu verkaufen, und dabei riskiert, von gedungenen Gangstern ermordet zu werden, dann kann ich nur …«
    Ein neuer Lachanfall überwältigte ihn.
    Jetzt lachte auch Lucia. Angesichts all dieser Fröhlichkeit zwang ich mir ein saures Lächeln ab.
    »Die Umstände in der letzten Woche waren ganz andere«, erinnerte ich ihn.
    Er schüttelte heftig den Kopf. »O nein«, sagte er, als er wieder sprechen konnte. »O nein, das ist nicht die Erklärung. Ich glaubte zu wissen, was Ihnen Auftrieb gab. ›Begier‹ habe ich gesagt. Wie sehr ich mich doch getäuscht habe! Nicht die Begier war die Triebfeder, sondern die Geldgier. Sie haben sie bloß all die Jahre unterdrückt – genau wie der Mann, der Polizist wird statt Gauner. Oder ist das eine Sublimierung? Egal. Tatsache ist, daß Sie einen Hang zum Stehlen haben. Es entspricht Ihrem Wesen. Therapie.« Er kicherte. »Bankraub wäre die richtige Therapie gewesen, nicht Elektroschocks.«
    Erstaunt stellte ich fest, daß dieser Gedanke auch mich amüsierte. Lucia brachte uns wieder auf den Boden der Wirklichkeit zurück. Sie sah auf die Uhr.
    »Es wird spät«, sagte sie. »Wir müssen entscheiden, was
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