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Ein Wispern unter Baker Street: Roman (German Edition)

Ein Wispern unter Baker Street: Roman (German Edition)

Titel: Ein Wispern unter Baker Street: Roman (German Edition)
Autoren: Ben Aaronovitch
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nicht ab. »Und Sie haben doch bestimmt wenigstens einmal in Ihrem Leben mit Ton gearbeitet.«
    Das konnte ich bejahen. Ich erinnerte mich noch gut an die glitschige Konsistenz des Tons in meinen Händen und wie spannend es war, wenn mein Stück in den Brennofen kam. Ich erwähnte nicht, dass keines meiner Werke je das Brennen überlebt hatte – gewöhnlich explodierten sie und rissen dabei meist noch die Stücke anderer Leute mit ins Verderben. Nach einer Weile weigerte sich der Kunstlehrer, Mr. Straploss, mich mit Ton arbeiten zu lassen. Einer der Gründe, warum ich in den Theaterkurs gewechselt war.
    Ryan behauptete, es sei die Beziehung des Künstlers zu seinem Material, das die Kunst vorantrieb. »Ihnen mag es vorkommen wie eine Ansammlung von nutzlosem Müll. Aber irgendwas steckt immer dahinter. Als ich etwa sechzehn war, begriff ich plötzlich, dass ich den Sinn in diesen Gegensätzen finden wollte, dass ich mit Hilfe des bisschen Talents, das ich hatte, in einem Schaffensprozess meine Sicht der Welt deutlich machen wollte. Können Sie das verstehen?«
    »Oh ja«, sagte ich und fuhr fort, ehe ich mich besinnen konnte: »Ich wollte eigentlich Architekt werden.«
    Ryan blieb buchstäblich der Mund offen stehen. »Architekt? Ach was. Und warum wurde nichts daraus?«
    »Ich hatte zwar die richtigen Abiturkurse, aber dann wurde mir gesagt, dass ich nicht gut genug zeichnen kann.«
    »Ich dachte, das würde heute alles der Computer machen.«
    Ich zuckte mit den Schultern. Dieses Kapitel meines Lebens hatte ich so weit wie möglich verdrängt, und ich würde es sicher nicht jetzt wieder hervorholen, wo die halbe Met plus gewisse Anteile des FBI zuhörten.
    »Es gab noch andere Gründe. Und was ist mit Ihnen?«
    »Ich? Ach, ich hatte das sprichwörtliche Glück der Iren. Ich war der richtige Bursche zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Ich erschien auf der Bildfläche, als sich in Dublin gerade so etwas wie eine Kunstszene entwickelte. Ich hatte ein Wahnsinnsfaible für Japan, China, Indien. Sie sehen den Grundtenor? Alles, was begehrt und exotisch war.«
    Offenbar stürzte sich Dublin in den Jahren des keltischen Tigers auf alles, was nach Geld, Zukunft, modernen Zeiten klang. Die Iren hatten Blut geleckt, und nichts und niemand konnte sie stoppen. »Nicht die Briten, nicht die katholische Kirche und wir selbst am allerwenigsten«, sagte Ryan. »Und ich war ganz nah dran, ich hatte es fast geschafft – der Junge von nebenan, der sein Glück gemacht hat.«
    Doch dann fiel das Kartenhaus in sich zusammen. Es kam die Kreditklemme, die Bankenkrise, und plötzlich war es, als hätte es die Zeit davor nie gegeben. »Und das Schlimmste ist: Ich glaube, die Leute waren irgendwie froh, dass alles den Bach runtergegangen war. ›Ach ja‹, sagten sie. ›Nichts währt ewig.‹ Und sie zogen sich das alte Irland wieder an wie ein Paar abgetragene, aber bequeme Schuhe. Die Scheißkerle.« Er knallte seinen leeren Teebecher auf die Tischplatte. »Noch zwei Jahre, und ich wäre international bekannt geworden – ach, eines, wenn ich gewusst hätte, dass es eilt.«
    »Also haben Sie sich gedacht, vielleicht könnten Sie Ihr Glück in London machen?«
    »Das hätten Sie wohl gern, Sie englischer Mistkerl«, sagte er, aber ohne Groll. »In Wahrheit wollte ich nach New York, aber für die Stadt, die niemals schläft, braucht mankünstlerisch gesehen ein gewisses Gewicht. Also bin ich nach London gegangen, und eins muss man Ihrer verdammten Stadt lassen – egal ob Krieg oder Frieden, Wirtschaftskrise oder sonst was – London bleibt London.«
    Das war alles sehr interessant, aber mir war bewusst, dass Ryans Anwalt im Anmarsch war und Seawoll ganz deutlich gemacht hatte, dass, sobald die Sache offiziell ins Rollen gekommen war, keine Rede mehr von »welchem abstrusen Scheiß auch immer« sein durfte. Was die Mordkommission anging, war Carroll geliefert, die brauchten keine weiteren Infos mehr. Aber ich musste wissen, ob ich recht hatte – und das hier war meine letzte Chance.
    »Also haben Sie Kontakt mit den Beales aufgenommen?«, fragte ich.
    »Oh ja, die angloirischen Beales, Betonung auf anglo . Sie haben mich an die Nolans verwiesen, die wiederum haben mich mit Stephen bekanntgemacht, und runter ging’s in die Eingeweide der Erde. Ich habe ihm zugeschaut, wie er eine Obstschale gemacht hat, eine ganz normale langweilige Obstschale. Er hat sie geformt, trocknen lassen und ab in den Ofen.« Ryan grinste. »Wissen Sie, dass sie
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