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Ein wildes Herz

Ein wildes Herz

Titel: Ein wildes Herz
Autoren: Robert Goolrick
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Schweißflecken zwischen den Schulterblättern, und seine riesigen Oberarme glitzerten, wenn er die Blöcke zum Haus trug, um sie in den Eichenboxen mit ihrer Blechverkleidung abzulegen.
    Ein Mann kam jeden Tag, ein dicker Mann, den Will Boaty nannte, obwohl jeder andere im Laden ihn mit Harrison oder sogar mit Mr. Glass ansprach. Er war in etwa so alt wie Will, obwohl man das bei dicken Leuten schlecht sagen kann, und die beiden gingen miteinander um wie zwei Männer, die sich schon ein Leben lang kannten und deren Lebenspfade sich immer wieder gekreuzt hatten.
    »Charlie Beale. Das ist Boaty Glass. Entschuldigung. Harrison. Harrison Boatwright Glass.«

    »Guten Morgen, Mr. Glass. Schön, Sie kennen zu lernen.«
    »Harrison und ich, wir haben uns schon als kleine Jungs gekannt.«
    »Das stimmt«, sagte der Dicke. »Damals haben wir jede Menge Abenteuer erlebt.«
    »Boaty traut seiner Frau nicht zu, dass sie ihm sein Abendessen kaufen kann.«
    »Meine Frau ist eine gute Köchin, aber sie ist nicht gerade eine Frühaufsteherin. Sie braucht an die zwei Stunden, bis sie sich für die Stadt fertig gemacht hat, und bis dahin sind alle guten Sachen verkauft.«
    »Du hast immer schon gerne vorausgedacht, Boaty. Ausgezeichnete Qualität. Geben Sie Boaty immer nur das Allerbeste, Charlie. Er hat hart dafür gearbeitet. Und er verdient es.« Und dann konnte sich Will eine letzte Bemerkung nicht verkneifen. »Er verdient eine ganze Menge davon.«
    »Blödmann«, erwiderte Harrison Glass. »Du warst immer schon so bissig.«
    »Kein bisschen, Boaty. Du hast einfach nur den Appetit, den ein Mann deines Umfangs haben sollte. Das ist schlichtweg eine Tatsache. Nichts für ungut.«
    Boaty bekam tatsächlich das Beste, und er bezahlte nichts dafür, sondern schaute nur dabei zu, wie Will seine Einkäufe in ein Büchlein eintrug, und weil er eine Menge einkaufte, gab ihm Will immer ein wenig Rabatt, obwohl Boaty nicht danach aussah, als hätte er es nötig, dass man ihm etwas billiger gab.
    So wie andere Leute sich ständig kratzten oder ein zuckendes Auge hatten, erzählte Boaty gerne Witze. Oft waren es unanständige Witze, doch wenn Frauen anwesend waren, gab er meistens nur ein paar uralte Cowboy-Witze zum Besten,
die er in der Opry gehört oder im Grit, der Zeitung, gelesen hatte.
    »Geht der neue Cowboy in den Stall, und es fällt ihm ein Hufeisen auf den Kopf. Als er sich beschwert, sagt sein Kumpel zu ihm: ›Sei froh, dass das Pferd nicht mehr dran hängt.‹«
    Er lachte so heftig über seinen eigenen Witz, dass man das Zäpfchen in seinem offenen Mund sah. Das Kind im Manne, hätten manche gesagt. Macht sich zum Gespött der Leute, hätten andere es vielleicht besser getroffen. Gewöhnlich kam er auf dem Weg nach Staunton vorbei, wo er sein Geschäft hatte. Alle behandelten ihn mit Ehrerbietung, als wäre er wie Charlie ein Fremder für sie, obwohl sie ihn doch schon ihr ganzes Leben lang kannten.
    »Niemand mag ihn«, sagte Will eines Tages, als Boaty weg war. »Traurig. Nicht einmal ich. Nicht mehr. Dem Jungen, den ich mal mochte, ähnelt er nicht mehr als Eleanor Roosevelt. Und das liegt nicht bloß daran, dass er reich ist. Er war mal ein netter Junge, füllig, aber nicht so dick wie jetzt. Jetzt ist er richtig fett. Hat sich ein Mädel vom Land geholt, das er stolz wie einen Ring am kleinen Finger trägt. Sonst wollte ihn keine haben, und er hat weiß Gott alles versucht. Stellen Sie sich das mal vor  – so reich wie er ist, und keine wollte ihn haben. Vielleicht hat ihn das ja so böse gemacht. Er ist ein knallharter Geschäftsmann, behandelt die Leute ohne Respekt. Hat jedem, der nicht schnell genug auf den Bäumen war, das Fell über die Ohren gezogen. Hält sich für besonders gut, dabei weiß jeder ganz genau, was er ist  – einfach ein fetter, reicher Mann, der alles vergessen hat, was ihm seine Mutter mal beigebracht hat. Und das war eine gute Christin, Gott hab sie selig.
    Früher waren wir Freunde. Aber irgendwann fand er, ich
bin nicht gut genug für ihn. Wir treffen uns nächste Woche, sagte er, aber die nächste Woche hat es nie gegeben, und schließlich hat er auch nicht mehr danach gefragt, und mir war es egal.
    Es ist traurig, mit anzusehen, wie dein bester Freund zu jemandem wird, den man nicht mehr kennt. Oder auch nur kennen will. In so kleinen Städten wie hier ist das einfach so: Man lebt mit diesen Leuten, sieht sie zwei Mal am Tag. Hat keinen Sinn, sich dagegen zu wehren. Sie sind einfach
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